Deutsch
GUN-CLUB.1
1Während des Bundeskriegs der Vereinigten Staaten
bildete sich zu Baltimore in Maryland ein neuer
Club von großer Bedeutung. Es ist bekannt, wie energisch
sich bei diesem Volk von Rhedern, Kaufleuten
und Mechanikern der militärische Instinct entwickelte.
Einfache Kaufleute brauchten nur in ihrem Comptoir
auf- und abzuschreiten, um unversehens Hauptleute,
Obristen, Generale zu werden, ohne die Militärschule
zu Westpoint durchzumachen; bald standen sie in der
»Kriegskunst« ihren Collegen der Alten Welt nicht nach
und verstanden gleich diesen durch Vergeuden von Kugeln,
Millionen und Menschen Siege zu gewinnen.
Aber in der Ballistik übertrafen sie die Europäer ganz
außerordentlich. Sie fertigten Geschütze nicht allein
von höchster Vollkommenheit, sondern auch von ungewöhnlicher
Größe, die folglich eine noch unerhörte
Tragweite haben mußten. In Beziehung auf rasante
und Breche-Schüsse, Schüsse in schiefer, in gerader
Richtung oder vom Rücken her – kann man die Engländer,
Franzosen, Preußen nichts mehr lehren; aber
1Gun = Geschütz, Kanone.
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ihre Kanonen, Haubitzen und Mörser sind nur Sackpistolen
gegen die fürchterlichen Maschinen der amerikanischen
Artillerie.
Das ist aber nicht zum Verwundern. Die Yankees, die
ersten Mechaniker auf der Welt, sind geborene Ingenieure,
wie die Italiener Musiker, die Deutschen Metaphysiker.
Ganz natürlich, daß sich ihre kühne Genialität
in ihrer Geschützkunde zu erkennen gab. Daher
jene Riesenkanonen, die zwar weit weniger nützen,
als die Nähmaschinen, doch ebenso viel Staunen,
und noch mehr Bewunderung erregen. Bekannt
sind von solchenWunderwerken die Parott, Dahlgreen,
Rodman. Die Armstrong, Palliser, Treuille de Beaulieu
mußten vor ihren überseeischen Rivalen die Segel
streichen.
Daher standen denn auch während des fürchterlichen
Kampfes der Nord- und Südstaaten die Artilleristen
im allerhöchsten Ansehen; die Journale der Union
priesen ihre Erfindungen mit Enthusiasmus, und es
gab keinen armseligen Krämer, keinen einfältigen Buben,
der sich nicht den Kopf zerbrach mit unsinnigen
Schußberechnungen.
Wenn aber einem Amerikaner eine Idee im Kopfe
steckt, so sucht er sich einen zweiten Amerikaner, um
sie zu theilen. Sind ihrer drei, so wählen sie einen
Präsidenten und zwei Secretäre; vier, so ernennen sie
einen Archivisten, und das Bureau tritt inWirksamkeit.
Bei fünfen berufen sie eine Generalversammlung, und
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der Club ist fertig. So ging’s auch zu Baltimore. Einer
erfand eine Kanone, associirte sich mit Einem, der sie
goß, und einem Anderen, der sie bohrte. Aus einem
solchen Kern erwuchs auch der Gun-Club. Einen Monat
nach seiner Bildung zählte er 1833 wirkliche Mitglieder
und 30,575 correspondirende.
Unerläßliche Bedingung für jedes Mitglied des Clubs
war, daß man eine Kanone, oder mindestens irgend
eine Feuerwaffe, erfunden, oder doch verbessert hatte.
Aber, offen gesagt, die Erfinder von Revolvern zu
fünfzehn Schuß, von Pivot-Karabinern oder Säbelpistolen
genossen kein großes Ansehen. Die Artilleristen behaupteten
in jeder Hinsicht den ersten Rang.
»Die Achtung, welche sie genießen«, sagte einmal einer
der gescheitesten Redner des Gun-Clubs, »steht im
Verhältniß zur Masse ihrer Kanonen, und zwar nach
directem Maßstab des Quadrats der Distanzen, welche
ihre Geschosse erreichen!«
Noch etwas mehr, das Newton’sche Gravitationsgesetz
verpflanzte sich in die moralische Welt.
Man kann sich leicht vorstellen, was, nachdem der
Gun-Club einmal gegründet war, das erfinderische Genie
der Amerikaner in dieser Gattung zu Tage förderte.
Die Kriegsmaschinen nahmen einen kolossalen Maßstab
an, und die Geschosse flogen weit über die ihnen
gesteckten Schranken hinaus, um harmlose Spaziergänger
zu zerreißen. Alle diese Erfindungen ließen
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die schüchternen Werkzeuge der europäischen Artillerie
weit hinter sich. Man urtheile aus folgenden Zahlen.
Einst, »wenn’s gut ging« vermochte ein 36pfünder in
einer Entfernung von 300 Fuß 36 Pferde von der Seite
her zu durchbohren, und dazu 68 Mann. Die Kunst lag
damals noch in der Wiege. Seitdem hat sie Fortschritte
gemacht. Die Rodmankanone, die eine Kugel von
einer halben Tonne1 sieben (engl.) Meilen weit schleuderte,
hätte leicht 150 Pferde und 300 Mann niedergeworfen.
Es war im Gun-Club gar die Rede davon, eine
förmliche Probe damit anzustellen. Aber, ließen sich’s
auch die Pferde gefallen, das Experiment zu machen,
an Menschen fehlte es leider.
Wie dem auch sei, diese Kanonen leisteten Mörderisches,
und bei jedem Schuß fielen die Menschen, wie
die Aehren unter der Sense. Was wollte neben solchen
Geschossen die berühmte Kugel zu Coutras bedeuten,
welche im Jahre 1587 25 Mann kampfunfähig machte,
und die andere, welche bei Zorndorf 1758 40 Mann
tödtete, und 1742 bei Kesselsdorf die österreichische,
die bei jedem Schuß siebenzig Feinde niederwarf? Was
war dagegen das erstaunliche Geschützfeuer bei Jena
und Austerlitz, das die Schlachten entschied? Da
gab’s während des Bundeskriegs ganz andere Dinge zu
schauen!
1500 Kilogramm.
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Bei Gettysburg traf ein kegelförmiges Geschoß aus
einer gezogenen Kanone 73 Feinde, und beim Uebergang
über den Potomak beförderte eine Rodmankugel
215 Südländer in eine ohne Zweifel bessere Welt. So
verdient auch ein fürchterlicher Mörser, den I. T. Maston,
ein hervorragendes Mitglied und beständiger Secretär
des Gun-Clubs, erfand, erwähnt zu werden; seine
Wirkung war noch mörderischer, denn beim Probiren
tödtete er 337 Personen – freilich, beim Zerspringen!
Diese Zahlen sprechen beredt ohne Commentar.
Auch wird man ohne Widerrede die folgende, vom Statistiker
Pitkairn aufgestellte Berechnung gelten lassen:
dividirt man die Anzahl der durch die Kugeln gefallenen
Opfer mit der Zahl der Mitglieder des Gun-Clubs,
so ergiebt sich, daß auf Rechnung jedes Einzelnen des
letzteren durchschnittlich 2375 Mann kommen, nebst
einem Bruchtheil.
Nimmt man diese Ziffern in Erwägung, so ist’s augenscheinlich,
daß das Trachten dieser gelehrten Gesellschaft
einzig auf Menschenvertilgung zu philanthropischem
Zweck, und auf Vervollkommnung der
Kriegswaffen als Civilisationsmittel gerichtet war. Es
war ein Verein von Würgengeln, sonst die besten Menschenkinder
auf der Welt.
Diese Yankees, muß man weiter anführen, von erprobter
Tapferkeit, ließen’s nicht beim Reden bewenden,
und traten persönlich ein. Man zählte unter ihnen
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Officiere jedes Grades vom Lieutenant bis zum General,
Militärpersonen jedes Alters, Anfänger im Kriegsdienst
und bei der Lafette ergraute Männer. Manche
fielen auf der Wahlstatt und ihre Namen wurden in’s
Ehrenbuch des Gun-Clubs eingetragen, und von denen,
welche davonkamen, trugen die meisten Beweise ihrer
unzweifelhaften Unerschrockenheit an sich. Krücken,
hölzerne Beine, gegliederte Arme, Haken statt der
Hände, Kinnbacken von Kautschuk, Schädel von Silber,
Nasen von Platina, nichts mangelte in der Sammlung,
und der obgedachte Pitkairn berechnete ebenfalls, daß
im Gun-Club nicht völlig ein Arm auf vier Personen
kam, und nur zwei Beine auf sechs.
Aber diese wackeren Artilleristen machten sich nicht
so viel daraus, und sie waren mit Recht stolz darauf,
wenn das Bulletin einer Schlacht zehnmal mehr Opfer
anführte, als Geschosse waren abgefeuert worden.
Eines Tags jedoch – ein trauriger, bedauerlicher Tag
– unterzeichneten die Ueberlebenden den Frieden, der
Geschützesdonner hörte allmälig auf, die Mörser verstummten,
die Haubitzen wurden für lange Zeit unschädlich
gemacht, und die Kanonen kehrten gesenkten
Hauptes in die Arsenale zurück, die Kugeln wurden
in den Zeughäusern aufgeschichtet, die blutigen
Erinnerungen erblichen, die Baumwollstanden sproßten
üppig auf den reich gedüngten Feldern, mit den
Trauerkleidern wurde auch der Schmerz abgelegt, und
der Gun-Club versank in vollständige Unthätigkeit.
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– Trostlos! sagte eines Abends der tapfere Tom Hunter,
während seine hölzernen Beine am Kamin verkohlten:
»Nichts mehr zu thun! nichts mehr zu hoffen!
Welch langweiliges Leben! O goldene Zeit, da einst jeden
Morgen lustiger Kanonendonner uns weckte!
– Die Zeit ist hin! erwiderte der muntere Bilsby. Das
war eine Lust! Man erfand seinen Mörser, und war er
gegossen, so probirte man ihn vor’m Feind; dann begab
man sich wieder in’s Lager mit einer Belobung
Sherman’s oder einem Handschlag Mac-Clellan’s! Aber
nun sind die Generale wieder auf ihren Comptoirs und
versenden harmlose Baumwollenballen! Ja, wahrhaftig,
die Artillerie hat in Amerika keine Zukunft mehr!
– Ja, Bilsby, rief der Obrist Blomsberry aus, das sind
grausame Täuschungen! Eines Tags verläßt man seine
friedlichen Gewohnheiten, übt sich in den Waffen,
zieht aus Baltimore in’s Feld, tritt da als Held auf,
und zwei, drei Jahre später muß man die Frucht seiner
Strapazen wieder verlieren, in leidiger Unthätigkeit
einschlafen.
– Und kein Krieg in Aussicht! sagte darauf der berühmte
J. T. Maston, und kratzte dabei mit seinem eisernen
Haken seinen Guttapercha-Schädel. Kein Wölkchen
am Himmel, und zu einer Zeit, da noch so viel
in der Artilleriewissenschaft zu thun ist! Da hab’ ich
diesen Morgen einen Musterriß fertig gebracht, sammt
Plan, Durchschnitt und Aufriß, für einen Mörser, der
die Kriegsgesetze umzuändern bestimmt ist!
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– Wirklich? erwiderte Tom Hunter, und dabei fiel
ihm unwillkürlich der letzte Versuch des ehrenwerthen
J. T. Maston ein.
– Ja, wirklich, entgegnete dieser. Aber wozu nun so
viele Studien, das Ueberwinden so vieler Schwierigkeiten?
Ist das nicht verlorene Mühe? Die Bevölkerung
der Neuen Welt scheint entschlossen zu sein, nun in
Frieden zu leben, und unsere kriegerische Tribüne hat
bereits Katastrophen in Folge des Anwachsens der Bevölkerung
geweissagt!
– Indessen, Maston, fuhr Obrist Blomsberry fort, in
Europa giebt’s immer noch Kriege für’s Princip der Nationalitäten!
– Nun denn?
– Nun denn! Da könnte man vielleicht einen Versuch
machen, und wenn man unsere Dienste annähme? . . .
– Was meinen Sie? Ballistik zu Gunsten von Ausländern.
– Besser, als gar nichts damit treiben, entgegnete der
Obrist.
– Allerdings, sagte J. T. Maston, es wäre wohl besser,
aber an so einen Ausweg darf man nicht einmal
denken.
– Und weshalb? fragte der Obrist.
– Weil man in der Alten Welt über das Avancement
Ideen hat, die unseren amerikanischen Gewohnheiten
schnurstracks zuwider laufen. Die Leute dort meinen,
man könne nicht commandirender General werden,
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wenn man nicht zuvor Unterlieutenant gewesen, was
auf dasselbe hinausläuft, als man verstehe nicht eine
Kanone zu richten, wenn man sie nicht selbst gegossen
hat! Nun ist aber selbstverständlich . . .
– Lächerlich! erwiderte Tom Hunter, indem er mit
einem Bowie-Messer Schnitte in die Arme seines Lehnsessels
machte; und weil dem so ist, so bleibt uns nichts
übrig, als Tabak zu pflanzen oder Thran zu sieden!
– Wie? rief J. T. Maston mit laut hallender Stimme,
wir sollen unsere letzten Lebensjahre nicht auf die Vervollkommnung
der Feuerwaffen verwenden! Es sollte
sich keine Gelegenheit mehr ergeben, unsere Geschosse
zu probiren! Der Blitz von unseren Kanonen soll
nicht mehr die Luft erhellen! Es sollte sich keine internationale
Streitfrage ergeben, die Anlaß gäbe, einer
überseeischen Macht den Krieg zu erklären! Sollten
nicht die Franzosen eins unserer Dampfboote in Grund
bohren, und die Engländer sollten nicht mit Verachtung
des Völkerrechts etliche unserer Landsleute hängen!
– Nein, Maston, entgegnete der Obrist Blomsberry,
dies Glück wird uns nicht werden! Nein! Kein einziger
dieser Fälle wird eintreten, und geschähe es, so würden
wir ihn nicht benützen! Das amerikanische Selbstgefühl
schwindet von Tag zu Tag, und wir werden zu
Weibern!
– Ja, wir sinken herab! erwiderte Bilsby.
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– Und man drückt uns herab! entgegnete Tom Hunter.
– Dies Alles ist nur allzu wahr, erwiderte J. T. Maston
mit erneuter Heftigkeit. Tausend Gründe sich zu
schlagen lassen sich aus der Luft greifen, und man
schlägt sich nicht! Man will Arme und Beine schonen,
und das zu Gunsten von Leuten, die nichts damit anzufangen
wissen! Und, denken Sie, man braucht einen
Grund zum Krieg nicht so weit herzuholen: hat nicht
Nord-Amerika einst den Engländern gehört?
– Allerdings, erwiderte Tom Hunter, indem er mit
seiner Krücke das Feuer schürte.
– Nun denn! fuhr J. T. Maston fort, warum sollte
nicht England einmal an die Reihe kommen, den Amerikanern
zu gehören?
– Das wäre nur recht und billig, erwiderte lebhaft
der Obrist Blomsberry.
– Machen Sie einmal dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten den Vorschlag, rief J. T. Maston, und Sie
werden sehen, wie er Sie empfangen wird!
– Gewiß wohl schlecht, brummte Bilsby zwischen
den Zähnen, die er noch hatte.
– Meiner Treu! rief J. T. Maston, auf meine Stimme
hat er nicht mehr zu rechnen!
– Auch auf die unsrigen nicht, erwiderten einstimmig
die kriegerischen Invaliden.
– Unterdessen, erwiderte J. T. Maston zum Schluß,
giebt man mir nicht Gelegenheit, meinen neuen Mörser
auf einem wirklichen Schlachtfeld zu probiren, so
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trete ich aus dem Gun-Club und vergrabe mich in den
Savannen von Arkansas!
– Da gehen wir mit, erwiderten die Genossen des
kühnen J. T. Maston.«
So standen die Dinge, die Geister erhitzten sich, und
der Club war mit naher Auflösung bedroht, als ein unerwartetes
Ereigniß dazwischen kam. Tags nach dieser
Unterredung erhielt jedes Mitglied der Gesellschaft ein
folgendermaßen abgefaßtes Circular:
Baltimore, 3. October.
»Der Präsident des Gun-Clubs beehrt sich, seine Collegen
zu benachrichtigen, daß er in der Sitzung am 5.
d. eine Mittheilung zu machen hat, welche sie lebhaft
interessiren wird. Demnach bittet er sie, ungesäumt
der im Gegenwärtigen enthaltenen Einladung zu folgen.
Mit herzlichem Gruß
Impey Barbicane, Präsident.«
2. MITTHEILUNG DES PRÄSIDENTEN BARBICANE.
Am 5. October um acht Uhr Abends drängte sich eine
dichte Menge in den Sälen des Gun-Clubs, 21. Unionsquare.
Alle zu Baltimore einheimischen Mitglieder der
Gesellschaft hatten sich auf die Einladung ihres Präsidenten
dahin begeben. Die correspondirenden langten
mit Expreß zu Hunderten in der Stadt an, und so groß
auch die Sitzungshalle war, so konnte die Menge der
Gelehrten darin nicht mehr Platz finden; sie strömte
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über in die anstoßenden Säle, die Gänge bis mitten in
die äußeren Höfe, wo sie mit dem gewöhnlichen Volk
zusammentraf, das sich an den Eingängen drängte: indem
jeder in die vordersten Reihen zu gelangen trachtete,
alle voll Begierde, die wichtige Mittheilung des
Präsidenten Barbicane zu vernehmen, stieß und schob
man sich herum, zerdrückte sich mit jener Freiheit des
Handelns, welche den in den Ideen des self-government
erzogenen Massen eigenthümlich ist.
An jenem Abend hätte ein zu Baltimore anwesender
Fremder um keinen Preis in den großen Saal gelangen
können; derselbe war ausschließlich den einheimischen
Mitgliedern oder den Correspondenten vorbehalten;
kein Anderer konnte darin einen Platz bekommen;
und die Notablen der Stadt, die Mitglieder des
Rathes der »Auserkorenen« hatten sich unter die Menge
ihrer Untergebenen mengen müssen, um flüchtig zu
erhaschen, was drinnen vorging.
Die unermeßlich große Halle bot den Blicken einen
merkwürdigen Anblick dar. Das umfassende Local war
zum Erstaunen für seine Bestimmung geeignet. Hohe
Säulen, aus übereinandergesetzten Kanonen gebildet,
auf einer dicken Unterlage von Mörsern, trugen die
feinen Verzierungen des Gewölbes, gleich Spitzen aus
Guß gefertigt. Vollständige Rüstungen von Stutzern,
Donnerbüchsen, Büchsen, Karabinern, alle Feuerwaffen
alter und neuer Zeit, waren an den Wänden mit
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malerischen Verschlingungen gruppirt. Das Gas strömte
in vollen Flammen aus tausend Revolvern, die in
Form von Lustren zusammengeordnet waren, während
Girandolen von Pistolen und Candelaber aus Bündeln
von Flintenläufen gebildet, die glänzende Beleuchtung
vollendeten. – Die Kanonenmodelle, die Probemuster
von Bronze, die durchlöcherten Zielscheiben, die von
Kugeln des Gun-Clubs zerschossenen Platten, die Auswahl
von Setzern und Wischern, die Rosenkränze von
Bomben, die Halsbänder von Geschossen, die Guirlanden
von Granaten, kurz alle Werkzeuge des Artilleristen
überraschten das Auge durch ihre Staunen erregende
Anordnung, und erweckten den Gedanken, daß
sie in Wahrheit mehr zum Schmuck, als zum Morden
bestimmt seien.
Am Ehrenplatze sah man unter einer glänzenden
Glasglocke ein zerbrochenes, vom Pulver zerdrehtes
Stück von einem Kanonenstoß, kostbares Reststück
von der Kanone J. T. Maston.
Am Ende des Saales saß auf einem breiten Sonderplatze
der Präsident, umgeben von vier Secretären.
Sein Sitz, der sich auf einer mit Schnitzwerk gezierten
Lafette befand, war im Ganzen gleich einem starken
Mörser von 32 Zoll geformt, unter einem Winkel von
neunzig Grad aufgeprotzt und an Zapfen befestigt, so
daß der Präsident sich auf demselben, wie auf einem
Schaukelstuhl (rocking-chair) in angenehmster Weise
schaukeln konnte. Auf dem Schreibtisch, einer breiten
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Platte von Eisenblech auf sechs Caronaden,1 sah man
ein besonders geschmackvolles Dintenfaß, das aus einer
kostbar gemeißelten Biskayer Büchse gebildet war,
und eine Donnerglocke, die bei Gelegenheit wie ein
Revolver knallte. Bei heftigem Streit reichte diese neu
erfundene Glocke manchmal kaum hin, die Stimmen
dieser Legion von erhitzten Artilleristen zu übertönen.
Vor dem Schreibtisch waren kleine Bänke im Zickzack,
gleich den Linien einer Verschanzung, aufgestellt
und bildeten eine Reihenfolge von Basteien und Courtinen.
Auf diesen saßen die Mitglieder des Gun-Clubs,
und diesen Abend konnte man sagen, »es fehlte nicht
an Mannschaft auf den Wällen«. Man kannte den Präsidenten
gut genug, um zu wissen, daß er ohne den
gewichtigsten Grund seine Collegen nicht in Bewegung
gesetzt hätte.
Impey Barbicane war ein Mann von 40 Jahren, ruhig,
kaltblütig, streng, von außerordentlich ernstem
und concentrirtem Geist, pünktlich wie ein Chronometer,
von erprobtem Temperament, unerschütterlichem
Charakter, wenig ritterlich, doch abenteuerlich, aber
voll praktischer Ideen, selbst bei den verwegensten Unternehmungen;
– er war in hervorragender Weise der
Mann Neu-Englands, der nordische Pflanzer, der Abkömmling
jener Rund-Köpfe, die einst den Stuarts so
1Eine Art kleiner Kanonen von kurzem Lauf.
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gefährlich wurden, der unversöhnliche Feind der südlichen
Gentlemen, jener vormaligen Junker des Mutterlandes.
Mit einem Wort, er war ein Yankee reinsten
Wassers durch und durch.
Barbicane hat sich im Holzhandel ein großes Vermögen
erworben; während des Krieges zum Artilleriedirector
ernannt, zeigte er sich fruchtbar an Erfindungen,
kühn in Ideen, trug viel zu den Fortschritten dieser
Waffe bei, und gab den experimentalen Forschungen
einen unvergleichlichen Schwung.
Ein Mann von mittlerer Statur hatte er – seltene
Ausnahme im Gun-Club – ganz wohlbehaltene Glieder.
Seine scharf ausgeprägten Gesichtszüge waren wie mit
dem Lineal nach dem Winkelmaße geschnitten, und
wenn es wahr ist, daß man, um eines Menschen instinctiven
Charakter zu erkennen, ihn im Profil ansehen
müsse, so konnte man bei ihm darin die deutlichsten
Anzeigen von Energie, Kühnheit und Kaltblütigkeit
wahrnehmen.
In diesem Augenblick war er in seinem Lehnstuhl
unbeweglich, stumm, in Gedanken versenkt, den Blick
nach innen gerichtet, mit einem hochgeformten Hut, –
schwarzem Seidencylinder –, welcher, scheint es, den
amerikanischen Schädeln angeschraubt ist.
Das lärmende Geplauder seiner Collegen um ihn her
störte ihn nicht; sie fragten sich einander, schweiften
auf dem Feld der Vermuthungen, forschten in den Zügen
ihres Präsidenten, und trachteten vergeblich das
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X seiner undurchdringlichen Physiognomie heraus zu
bekommen.
Als die Uhr des großen Saales mit Donnerschlägen
die Stunde verkündete, erhob sich Barbicane plötzlich,
als wie von einer Sprungfeder emporgeschnellt. Alles
lauschte, und der Redner ließ sich mit etwas emphatischem
Ton folgendermaßen vernehmen:
»Tapfere Collegen, schon allzu lange hat ein unfruchtbarer
Friede die Mitglieder des Gun-Clubs in bedauerliche
Unthätigkeit versetzt. Nach vier so ereignißvollen
Jahren mußten wir unsere Arbeiten einstellen
und auf dem Wege des Fortschritts plötzlich Halt machen.
Ich nehme keinen Anstand, es laut auszusprechen,
jeder Krieg, der uns wieder die Waffen in die
Hand gäbe, würde willkommen sein . . . «
– Ja, der Krieg! rief stürmisch J. T. Maston.
– Hört! Hört! vernahm man allerwärts.
»Aber der Krieg«, sagte Barbicane, »ist unter gegenwärtigen
Umständen unmöglich; und was sich auch
der ehrenwerthe College, welcher mich unterbrach, für
Hoffnungen machen mag, es wird eine Reihe von Jahren
verfließen, ehe unsere Kanonen wieder auf einem
Schlachtfeld donnern. Das muß man sich nun gefallen
lassen, und in einem andern Ideenkreise Nachahmung
für unseren Thätigkeitstrieb suchen.«
Da die Versammlung merkte, daß ihr Präsident nun
auf den Hauptpunkt kam, verdoppelte sie ihre Aufmerksamkeit.
— 17 —
»Seit einigen Monaten, wackere Collegen«, fuhr Barbicane
fort, »habe ich darüber nachgedacht, ob wir
nicht – doch innerhalb unseres Specialfachs – im Stande
wären, eine große, des neunzehnten Jahrhunderts
würdige Forschung vorzunehmen, und ob nicht die
Fortschritte in der Ballistik uns in den Stand setzten,
sie glücklich auszuführen. Zu dem Ende habe ich geforscht,
gearbeitet, Berechnungen angestellt, und das
Ergebniß meiner Studien war die Ueberzeugung, daß
wir bei einer Unternehmung, die in jedem anderen
Lande unausführbar sein würde, zu einem glücklichen
Ziele gelangen müssen. Ueber dieses reiflich durchdachte
Project will ich Ihnen nähere Mittheilung machen;
es ist Ihrer würdig, würdig der Vergangenheit
des Gun-Clubs, und wird unfehlbar großes Aufsehen
in der Welt machen!«
– Viel Aufsehen? rief ein leidenschaftlicher Artillerist.
»Sehr viel Aufsehen, im echten Sinne des Worts«, erwiderte
Barbicane.
– Nicht unterbrechen! rief es von anderen Seiten.
»Ich bitte Sie also, wackere Collegen«, fuhr der Präsident
fort, »mir Ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
«
Unwillkürliche Bewegung ergriff die Versammlung.
Barbicane rückte rasch seinen Hut und drückte ihn
fest, dann fuhr er mit ruhiger Stimme fort:
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»Es ist keiner unter Ihnen, wackere Collegen, der
nicht den Mond gesehen, oder mindestens von ihm
sprechen gehört hätte. Wundern Sie sich nicht, daß ich
Sie hier über das Gestirn der Nacht unterhalte. Vielleicht
ist’s uns vorbehalten, für diese unbekannte Welt
die Rolle des Columbus zu spielen. Begreifen Sie mich,
unterstützen Sie mich mit allen Kräften, so will ich Sie
führen, diese Eroberung zu machen, und der Name des
Mondes wird sich denen der 36 Staaten anreihen, welche
den großen Bund dieses Landes bilden.«
– Hurrah dem Mond! rief der Gun-Club wie mit einer
Stimme.
»Man hat viel Studien über den Mond gemacht«,
fuhr Barbicane fort. »Seine Masse, Dichtigkeit, sein Gewicht
und Umfang, seine Beschaffenheit, Bewegungen,
Entfernung, seine Rolle in der Sonnenwelt sind nun genau
bekannt; man hat Mondkarten gefertigt, welche an
vollkommener Ausführung den Erdkarten wenigstens
gleich kommen, wofern sie dieselben nicht übertreffen;
die Photographie hat von unserem Trabanten Musterbilder
von unvergleichlicher Schönheit geliefert. Kurz,
man weiß von dem Mond Alles, was die mathematischen
Wissenschaften, Astronomie, Geologie, Optik
uns lehren können; aber bis jetzt ist noch nie ein directer
Verkehr mit demselben hergestellt worden.«
Bei diesem Satz des Redners gab sich eine heftige
Bewegung des Interesses und der Ueberraschung zu
erkennen.
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»Gestatten Sie mir«, fuhr derselbe fort, »mit einigen
Worten daran zu erinnern, wie einige glühende Geister
in phantasievollen Reisebeschreibungen vorgaben, die
Geheimnisse unseres Trabanten ergründet zu haben.
Im siebenzehnten Jahrhundert rühmte sich ein gewisser
David Fabricius, die Bewohner des Mondes mit eigenen
Augen gesehen zu haben. Im Jahre 1649 veröffentlichte
ein Franzose J. Beaudoin, eine Reise in den
Mond, von dem spanischen Abenteurer Dominico Gonzalez
unternommen. Zu derselben Zeit ließ Cyrano de
Bergerac die berühmte Expedition, welche in Frankreich
so viel Erfolg hatte, erscheinen. Später schrieb
ein anderer Franzose, Fontenelle mit Namen, über die
Mehrheit der Welten ein Hauptwerk; aber die Wissenschaft
überbietet in ihrem Fortschritt auch die Meisterwerke!
Um’s Jahr 1835 erzählte ein aus dem New-York
Americain übersetztes Werkchen, Sir J. Herschel, der
zum Zweck der astronomischen Studien an’s Cap der
guten Hoffnung gesendet worden war, habe vermittelst
eines vervollkommneten Teleskops den Mond bis auf
eine Entfernung von achtzig Yards1 nahe gebracht. Da
habe er ganz deutlich Höhlen beobachtet, worin Flußpferde
hausten, grüne mit Goldsaum befranzte Berge,
Schöpfe mit Hörnern von Elfenbein, weiße Rehe, Bewohner
mit pergamentgleichen Flügeln, wie bei den
Fledermäusen. Dieses von einem Amerikaner Namens
Locke verfaßte Werkchen hatte großen Erfolg. Bald
1Der Yard ist etwas kleiner als ein Meter.
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aber erkannte man darin eine Mystification der Wissenschaft,
und die Franzosen lachten zuerst darüber.«
– Ueber einen Amerikaner lachen! rief J. T. Maston,
da haben wir ja einen Casus belli . . .
»Beruhigen Sie sich, mein würdiger Freund. Bevor
die Franzosen lachten, haben sie sich von unserem
Landsmanne vollständig anführen lassen. Ich füge bei,
daß ein gewisser Hans Pfaal aus Rotterdam in einem
Ballon, der mit Stickstoffgas gefüllt war, welches
35mal leichter als Wasserstoffgas ist, in neunzehn Tagen
bis zum Mond gelangte. Diese Reise war, gleich der
vorausgehenden, nur eine Phantasie-Unternehmung,
aber sie hatte einen populären amerikanischen Schriftsteller,
der ein Genie von seltenem Tiefsinn war, Poé,
zum Verfasser.«
– Hurrah dem Edgar Poé! rief die Versammlung voll
Begeisterung.
»So viel«, fuhr Barbicane fort, »von den Versuchen,
die als lediglich wissenschaftlich durchaus ungenügend
sind, um ernstlich Verbindungen mit dem Gestirn
der Nacht einzurichten. Doch muß ich hinzufügen, daß
einige praktische Geister den Versuch machten, sich
wirklich mit ihm in Verbindung zu setzen. Vor einigen
Jahren machte ein deutscher Geometer den Vorschlag,
eine Commission von Gelehrten in die Steppen
Sibiriens zu schicken. Dort solle man auf ungeheuer
ausgedehnten Ebenen unermeßliche geometrische Figuren
mit Hilfe beleuchteter Metallspiegel entwerfen,
— 21 —
unter anderen das Quadrat der Hypothenuse, das die
Franzosen gewöhnlich ›Eselsbrücke‹ nennen. ›Jedes intelligente
Wesen‹, sagt der Geometer, ›muß die wissenschaftliche
Bedeutung dieser Figur begreifen. Wenn
es nun Mondbewohner giebt, so werden sie mit einer
ähnlichen Figur antworten, und ist einmal die Verbindung
eingerichtet, so ist’s keine schwere Sache, ein Alphabet
zu schaffen, welches in Stand setzt, sich mit
den Bewohnern des Mondes zu unterhalten.‹ So lautet
der Vorschlag des deutschen Geometers, aber er kam
nicht zur Ausführung, und bis jetzt ist noch keine directe
Verbindung zwischen der Erde und ihrem Trabanten
eingerichtet. Aber es ist dem praktischen Genie
der Amerikaner vorbehalten, die Verbindung mit der
Sternenwelt in’s Leben zu rufen. Das Mittel dafür ist
einfach, leicht, sicher, unfehlbar; mein Vorschlag wird’s
Ihnen auseinandersetzen.«
Lautes Beifallgeschrei, ein Sturm von Zurufen erfolgte.
Es war auch nicht ein Einziger unter den Anwesenden,
der nicht von den Worten des Redners bewältigt,
hingerissen wurde.
– Hört! Hört! Stille doch! rief man auf allen Seiten.
Als es wieder ruhig geworden, fuhr Barbicane mit
ernsterer Stimme fort:
»Sie wissen, welche Fortschritte die Ballistik seit einigen
Jahren gemacht hat, und zu welch hohem Grade
der Vollkommenheit diese Waffen gelangt wären,
— 22 —
wenn der Krieg fortgedauert hätte. Ebenso ist’s Ihnen
im Allgemeinen nicht unbekannt, daß die Widerstandskraft
der Kanonen und die Treibkraft des Pulvers
ohne Grenzen sind. Nun! von diesem Grundgedanken
ausgehend, habe ich mir die Frage gestellt, ob es
nicht, vermittelst hinreichender Vorrichtung innerhalb
bestimmter Widerstandsbedingungen, möglich wäre,
ein Geschoß bis zum Mond zu entsenden!«
Bei diesen Worten entfuhr ein staunendes »Oh!« aus
beklommener Brust von Tausenden; dann nach einer
kleinen Pause, gleich der Stille, welche dem Donner
vorausgeht, entlud sich ein gewitterartiger Beifallssturm
von Schreien und Rufen, daß der Sitzungssaal
davon erbebte. Der Präsident versuchte zu sprechen;
vergebens. Erst nach zehn Minuten konnte er zum
Wort kommen.
»Lassen Sie mich ausreden«, fuhr er kalt fort. »Ich
habe die Frage unter allen Gesichtspunkten betrachtet,
habe sie entschlossen angefaßt, und aus meinen
unbestreitbaren Berechnungen ergiebt sich, daß jedes
Geschoß, das mit einer anfänglichen Geschwindigkeit
von 12,000 Yards1 in der Secunde in der Richtung nach
dem Mond hin abgeschleudert wird, nothwendig dort
anlangen muß. Ich habe daher die Ehre, meine wackeren
Collegen, Ihnen dieses kleine Experiment vorzuschlagen!
«
1Ohngefähr 11,000 Meter.
— 23 —
3. WELCHEN EINDRUCK BARBICANE’S MITTHEILUNG
MACHTE.
Der Eindruck, welchen diese letzten Worte des ehrenwerthen
Präsidenten machten, läßt sich nicht beschreiben.
Das war ein Schreien! ein Grunzen! ein Rufen
mit Hurrah! Hip! Hip! Hip! und allen den Naturlauten,
woran die amerikanische Sprache so reich
ist; es war ein Getümmel, ein Lärmen ohne Gleichen!
Die Kehlen schrieen, die Hände klaschten, die Füße
stampften den Boden. Kein Wunder das: es giebt Kanoniere,
die im Lärmen mit ihren Kanonen wetteifern.
Barbicane bewahrte mitten in diesem Enthusiasmus
seine Kaltblütigkeit; seine Handbewegungen forderten
vergebens zur Stille auf, die donnernden Töne seiner
Glocke wurden nicht gehört. Man riß ihn von seinem
Präsidentenstuhl und trug ihn im Triumph umher.
Ein Amerikaner läßt sich nicht in Bestürzung versetzen.
Für den Begriff »unmöglich« findet sich in seinem
Wörterbuch kein Ausdruck. In Amerika ist Alles
leicht, einfach, die mechanischen Schwierigkeiten sind
wie todtgeboren. Ein wahrer Yankee war nicht im Stande,
nur einen Schein von Schwierigkeit zwischen Barbicane’s
Vorschlag und seiner Ausführung zu erkennen.
Gesagt, gethan.
Der Triumphzug des Präsidenten dauerte den ganzen
Abend; es war ein echter Fackelzug. Irländer, Franzosen,
Schotten, alle die gemischten Nationalitäten,
woraus die Bevölkerung Marylands besteht, schrieen
— 24 —
in ihrer Muttersprache, und es mischten sich die Vivat!
Hurrah! und Bravo! in einem Schwung, der über alle
Beschreibung geht.
Luna, als begriffe sie, daß es sich um sie handle,
strahlte in heiterer Pracht, die irdischen Feuer verdunkelnd.
Alle Yankees richteten die Blicke nach ihrer
glänzenden Scheibe; die Einen grüßten sie mit der
Hand, die Anderen mit zärtlichenWorten; diese maßen
sie mit den Augen, Andere drohten mit der Faust: ein
Optiker hatte bis Mitternacht nur Augengläser zu verkaufen.
Frau Luna wurde wie eine Dame der hochvornehmen
Welt lorgnettirt, und das mit einer Rücksichtslosigkeit,
wie sie amerikanischen Gutsbesitzern eigen
ist. Gerade als gehöre die blonde Phöbe bereits ihren
kühnen Eroberern an als Gebietstheil der Union. Und
doch handelte sich’s erst darum, ein Geschoß zu ihr
zu schleudern: eine ziemlich brutale Art Verbindungen
anzuknüpfen, selbst gegenüber einem Trabanten; doch
ist sie unter den civilisirten Nationen sehr in Gebrauch.
Es war Mitternacht, und der Enthusiasmus war auf
seinem Höhepunkt, verbreitete sich gleichmäßig unter
allen Klassen der Bevölkerung: die Stadtbehörden,
Gelehrten, Großhändler und Kaufleute, Lastträger, verständige
Leute und Gelbschnäbel, fühlten sich bis in
die zartesten Fasern des Daseins aufgeregt; es handelte
sich um eine National-Unternehmung; so waren denn
auch die Ober- und Unterstadt, die Quais an den Ufern
das Patapsco, die Fahrzeuge in ihren Bassins dicht voll
— 25 —
gedrängt von einer Menge im Rausch der Freude, des
Gin und Whisky;1 jeder plauderte, schwatzte, disputirte,
discutirte, billigte, klatschte, von dem Gentleman,
der auf dem Kanapee der Schenkstube vor seinem
Schoppen Sherry-Cobbler2 flegelhaft hingestreckt
lag, bis zu dem Bootsmann, der in den dunklen Kneipen
von Fells-Point sich mit »Knock me down«3 betrank.
Gegen zwei Uhr legte sich die Aufregung. Nun gelang
es dem Präsidenten heim zu kommen, wie ein geräderter
Mann. Es gehörte eine Herkulesnatur dazu,
solch einen Enthusiasmus zu bestehen. Die Menge auf
den Straßen verlief sich allmälig. Die vier Eisenbahnen,
welche in Baltimore zusammentreffen, nach dem Ohio,
Susquehanna, Philadelphia und Washington, führten
das auswärtige Publicum nach den vier Weltgegenden
zurück, und die Stadt kam wieder in einen verhältnißmäßig
ruhigeren Zustand.
Uebrigens wäre es ein Irrthum, wenn man glaubte,
nur zu Baltimore habe diesen Abend solche Aufregung
geherrscht. Die großen Städte der Union,
New-York, Boston, Albany, Washington, Richmond,
1Wachholder- und Kornbranntwein.
2Eine Mischung von Rum, Orangensaft, Zucker, Zimmt und
Muscade. Dieser gelbe Trank wird mit gläsernen Röhren aus den
Schoppengläsern eingesogen.
3Ein starkes Bier.
— 26 —
Crescent-City,1 Charleston, Mobile, von Texas bis Massachussets,
von Michigan bis Florida, nahmen alle
Theil an der Schwärmerei der Begeisterung. Die
30,000 correspondirenden Mitglieder des Gun-Clubs
kannten ja den Brief ihres Präsidenten, und warteten
mit gleicher Ungeduld auf die merkwürdige Mittheilung
des 5. October. Sowie daher die Worte des Redners
seinen Lippen entströmten, wurden sie noch denselben
Abend von den Telegraphendrähten durch alle
Staaten der Union befördert, mit einer Schnelligkeit
von 248,447 (engl.) Meilen2 in der Secunde. Man kann
also ganz bestimmt sagen, daß die Vereinigten Staaten
Amerikas, welche zehnmal so groß als Frankreich sind,
in demselben Augenblick in einem einzigen Hurrah zusammen
stimmten, und daß 25 Millionen Herzen, von
Stolz geschwellt, denselben Pulsschlag fühlten.
Am folgenden Morgen nahmen 15,000 Journale,
Tags- und Wochenblätter, monatliche und zweimonatliche
Zeitschriften, die Frage in Betrachtung; sie
prüften dieselbe unter den verschiedenen Gesichtspunkten,
dem physischen, meteorologischen, ökonomischen
oder moralischen, auf dem Standpunkt des
Uebergewichts in Politik oder Civilisation. Man fragte,
ob denn der Mond ein fertiger Weltkörper sei, oder
noch Umbildungen unterworfen. Glich er der Erde zu
der Epoche, da dieselbe noch keine Atmosphäre hatte?
1New-Orleans.
2100,000 Lieues, die Schnelligkeit der Elektricität.
— 27 —
Welchen Anblick würde seine unsichtbare Seite unserer
Erdkugel darbieten? Obwohl es sich nur erst darum
handelte, eine Kugel dahin zu schleudern, so sahen
doch Alle, daß eine Reihe von Untersuchungen
von diesem Punkt ausgehen würden; Alle gaben sich
der Hoffnung hin, Amerika werde in die tiefverhüllten
Geheimnisse der mysteriösen Scheibe dringen, und
Manche schienen sogar zu befürchten, seine Eroberung
werde auffallend das europäische Gleichgewicht stören.
Nachdem das Project besprochen war, setzte kein
einziges Blatt seine Ausführbarkeit in Zweifel; die
von den gelehrten, wissenschaftlichen oder religiösen
Gesellschaften herausgegebenen periodischen Blätter,
Brochüren, Bulletins, Magazine strichen seine Vortheile
heraus, und die »Gesellschaft für Naturgeschichte«
zu Boston, die »Amerikanische Gesellschaft der Wissenschaften
und Künste« zu Albany, die »Geographische
und Statistische Gesellschaft« zu New-York, die
»Amerikanische Philosophische Gesellschaft« zu Philadelphia,
das »Smithson’sche Institut« zu Washington,
sendeten in tausend Zuschriften dem Gun-Club Glückwünsche,
mit unverzüglichen Anerbietungen von Geld
und Dienstleistung.
Darum, kann man kecklich versichern, gab’s auch
nie einen Vorschlag, dem so viele Anhänger zufielen;
von Zweifeln, Bedenken, Besorgnissen war keine Rede.
In Europa, zumal in Frankreich, hätte wohl die Idee,
— 28 —
ein Geschoß bis zum Mond zu schleudern, Scherzreden,
Caricaturen, Spottlieder hervorgerufen: so etwas
hätte sich Jemand nicht einfallen lassen dürfen; kein
»Lifepreserver«1 auf der Welt hätte gegen die allgemeine
Entrüstung geschützt. In der neuenWelt giebt’s Dinge,
die über’s Lachen hinaus sind.
Impey Barbicane wurde daher von dem Tag an den
größten Bürgern der Vereinigten Staaten angereiht, er
galt etwa für einen Washington der Wissenschaft. Ein
einziger Zug kann unter anderen zeigen, bis zu welchem
Grad die Hingebung eines Volkes an einen Mann
plötzlich gestiegen war.
Einige Tage nach der famosen Sitzung des Gun-
Clubs kündigte der Director einer englischen Theatertruppe
zu Baltimore das Shakespeare’sche »Viel Lärmen
um Nichts« an. Da das Stadtvolk darin eine verletzende
Anspielung auf die Projecte Barbicane’s sah,
drang es in den Theatersaal, zertrümmerte die Bänke
und nöthigte den unglücklichen Director, seinen Zettel
abzuändern. Als gescheiter Mann beugte er sich dem
Volkswillen, setzte an die Stelle des leidigen Stücks
desselben Dichters »Wie es Euch beliebt«, und bekam
einige Wochen beispiellos enorme Einnahmen.
1Eine Taschenwaffe, bestehend aus biegsamem Fischbein mit
einer Metallkugel.
— 29 —
4. GUTACHTEN DES OBSERVATORIUMS ZU CAMBRIDGE.
Inzwischen verlor Barbicane inmitten der Huldigungen,
die ihm zu Theil wurden, keinen Augenblick. Vor
allem ließ er die Bureaux des Gun-Clubs zu einer Berathung
sich versammeln. Man beschloß, über die astronomische
Seite des Unternehmens die Astronomen zu
befragen; sodann auf Grund eines Gutachtens derselben
sich über die technischen Mittel zu bereden, um
nichts zu versäumen, was den Erfolg des großen Versuchs
sichern könne.
Es wurde daher ein klar und genau abgefaßtes
Schreiben mit speciellen Fragen redigirt, und an das
Observatorium zu Cambridge in Massachussets gerichtet.
Dieser Sitz der ersten Universität in den Vereinigten
Staaten ist durch sein astronomisches Bureau sehr
berühmt. Da finden sich die verdienstvollsten Gelehrten
und das weitreichende Teleskop, mit dessen Hilfe
Bond das Nebelgestirn Andromeda durchdrang und
Clarke den Trabanten des Sirius entdeckte. Das Vertrauen
des Gun-Clubs zu diesem Institut war also in
jeder Hinsicht gerechtfertigt.
Zwei Tage nachher traf die so ungeduldig erwartete
Antwort beim Präsidenten Barbicane ein. Folgendes ihr
Wortlaut:
Der Director des Observatoriums zu Cambridge an
den Präsidenten des Gun-Clubs zu Baltimore.
Cambridge, 7. October.
— 30 —
»Bei Empfang Ihres geehrten, unterm 6. d. im Namen
der Mitglieder des Gun-Clubs zu Baltimore an das
Observatorium zu Cambridge gerichteten Schreibens
hat sich unser Bureau unverzüglich versammelt und
für angemessen erachtet, folgendermaßen zu antworten:
Die ihm vorgelegten Fragen sind:
1. Ist’s möglich, ein Wurfgeschoß auf den Mond zu
schleudern?
2. Welches ist genau berechnet die Entfernung der
Erde von ihrem Trabanten?
3. Binnen welcher Zeit hätte das Geschoß bei einer
hinreichenden Anfangsgeschwindigkeit diese Distanz
zu durchfliegen; folglich in welchem Zeitpunkt wird
man es abschleudern müssen, damit es in einem bestimmten
Moment auf dem Mond eintreffe?
4. In welchem Zeitpunkt wird der Mond genau in
der Stellung sich befinden, welche am günstigsten ist,
daß er von demselben getroffen werde?
5. Nach welchem Punkt am Himmel wird das Geschütz
zu richten sein, womit das Projectil abgeschossen
werden soll?
6. An welcher Stelle wird sich der Mond am Himmel
befinden, wann das Geschoß abfliegen wird?
Die Antwort auf die erste Frage ist:
Ja, es ist möglich, ein Projectil auf den Mond zu
schleudern, wenn es gelingt, demselben eine Anfangsgeschwindigkeit
von 12,000 Yards in der Secunde zu
— 31 —
geben. Richtiger Berechnung nach reicht diese Geschwindigkeit
hin. Je weiter man sich von der Erde
entfernt, nimmt die Schwerkraft ab im umgekehrten
Verhältniß des Quadrats der Entfernung, also z.B. für
eine dreimal größere Entfernung bedarf’s einer neunmal
geringeren Bewegkraft. Folglich wird die Schwere
des Geschosses reißend abnehmen und endlich völlig
aufhören im Moment, wo die Anziehungskraft der
Erde von der des Mondes aufgewogen wird, d.h. bei
47 52theilen der Entfernungslinie. In diesem Moment
wird das Projectil keine Schwerkraft mehr haben, und
sowie es noch weiter fliegt, wirkt die Anziehungskraft
des Mondes auf dasselbe ein, und es fällt auf den
Mond. Theoretisch ist hiermit die Möglichkeit des Experiments
bewiesen; ob es gelingt, hängt allein von der
Kraft der angewendeten Maschine ab.
Auf die zweite Frage lautet die Antwort:
Der Mond beschreibt bei seinem Umlauf um die Erde
nicht einen Kreis, sondern eine Ellipse, worin unsere
Erdkugel einen der Brennpunkte einnimmt; demnach
befindet sich der Mond in einer bald näheren,
bald weiteren Entfernung von der Erde, astronomisch
ausgedrückt, bald in der Erdnähe, bald in der Erdferne.
Nun ist der Unterschied zwischen seinem weitesten
und nächsten Abstand ziemlich bedeutend, so daß man
im besonderen Fall denselben nicht unberücksichtigt
lassen darf. Die größte Entfernung des Mondes beträgt
— 32 —
nämlich 247,525 Meilen (= 99,640 Lieues zu vier Kilometer),
die geringste nur 218,657 (= 88,010 Lieues),
so daß der Unterschied 28,895 (= 11,636 Lieues)
beträgt, also mehr als den neunten Theil der Umlaufslinie.
Der Abstand der Erdnähe muß nun den Berechnungen
zu Grunde gelegt werden.
Auf die dritte Frage:
Wenn das Geschoß die Anfangsgeschwindigkeit von
12,000 Yards in der Secunde, welche man ihm beim
Abschießen gäbe, unverändert beibehielte, so bedürfte
es nur etwa neun Stunden, um an dem Ort seiner
Bestimmung anzulangen; da aber diese Geschwindigkeit
in zunehmendem Verhältniß sich beständig vermindert,
so wird es aller Berechnung nach 300,000
Secunden brauchen, d.h. 83 Stunden und 20 Minuten,
um an den Punkt zu gelangen, wo die Anziehungskraft
der Erde und des Mondes sich aufwiegen, und von diesem
Punkt an bedarf es noch 50,000 Secunden, oder
13 Stunden, 53 Minuten und 20 Secunden, um auf den
Mond zu fallen. Man muß es also 97 Stunden, 13 Minuten
und 20 Secunden eher abschießen, als der Mond
an dem Punkt, wohin man zielt, ankommen wird.
Auf die vierte Frage:
Nach dem Gesagten muß man zuerst die Zeit der
Erdnähe des Mondes wählen, und zugleich den Moment,
wo er sich im Zenith1 befinden wird, wodurch
1Zenith nennt man den Punkt des Horizonts, welcher senkrecht
über dem Kopf eines Beobachters ist.
— 33 —
die Linie, welche das Geschoß zurückzulegen hat, um
das Maaß eines Erdradius kürzer wird, nämlich um
3919 Meilen; so daß die zu durchlaufende Linie definitiv
214,976 Meilen (= 86,410 Lieues) betragen wird.
Aber wenn auch der Mond allmonatlich in seine Erdnähe
kommt, so steht er in dem Moment nicht immer im
Zenith: ein Zusammentreffen, welches nur in langen
Zwischenräumen stattfindet. Solch ein Zusammentreffen
der Erdnähe mit dem Zenithstand ist also abzuwarten.
Glücklicherweise wird am vierten December
folgenden Jahres sich bei dem Mond diese doppelte
Bedingung ergeben: um Mitternacht wird er in seine
Erdnähe treten, d.h. seinen kürzesten Abstand von der
Erde, und zu gleicher Zeit wird er im Zenith stehen.
Auf die fünfte Frage:
Die vorausgehenden Bemerkungen zu Grunde gelegt,
wird das Geschütz auf den Zenith des Ortes gerichtet
werden müssen; dergestalt wird der Schuß perpendiculär
auf die Fläche des Horizonts gehen, und
das Geschoß wird um so schneller der Anziehungskraft
der Erde entzogen. Aber damit der Mond in den
Zenith eines Ortes zu stehen komme, darf dieser Ort
nicht unter höherem Breitegrad liegen, als die Abweichung
dieses Gestirns vom Aequator beträgt, mit anderen
Worten, er muß zwischen 0 und 28 nördlicher
oder südlicher Breite sich befinden. An jedem anderen
Ort würde der Schuß nothwendig in schiefer Richtung
— 34 —
geschehen, was dem Gelingen des Experiments hinderlich
sein würde.
Auf die sechste Frage:
Im Augenblick, wo das Projectil in den Weltraum geschleudert
wird, muß der Mond, der in seiner Bahn
täglich 13 Grad, 10 Minuten und 35 Secunden läuft,
sich viermal so weit vom Zenithpunkt entfernt befinden,
nämlich 52 Grad, 42 Minuten und 20 Secunden,
denn so lange wird er noch zu laufen haben.
Aber da man auch die Abweichung in Anschlag bringen
muß, welche die Bewegung der Erde um ihre Achse
bei dem Geschoß hervorbringen wird, und da dasselbe
erst nach einer Abweichung von sechzehn Halbdurchmesser
der Erde auf dem Mond ankommen wird,
welche auf der Mondscheibe gemessen ohngefähr elf
Grad ausmachen, so muß man diese elf Grad noch zu
denen hinzurechnen, welche die erwähnte Zögerung
des Mondes ausdrücken, nämlich rund 64 Grad. So
wird also im Moment des Schusses die nach dem Mond
gerichtete Sehlinie mit der verticalen des Ortes einen
Winkel von 64 Grad bilden.«
So lauteten die Antworten, welche auf die dem Observatorium
zu Cambridge von den Mitgliedern des
Gun-Clubs gestellten Fragen ertheilt wurden. Resumiren
wir:
»1. Das Geschütz muß in einem Land zwischen 0
und 28 nördlicher oder südlicher Breite aufgestellt
werden.
— 35 —
2. Es muß auf den Zenith des Ortes gerichtet werden.
3. Dem Geschoß muß eine anfängliche Geschwindigkeit
von 12,000 Yards in der Secunde gegeben werden.
4. Es muß am ersten December des folgenden Jahres
um 11 Uhr, weniger 13 Minuten und 20 Secunden,
abgeschossen werden.
5. Es wird vier Tage hernach, am vierten December,
Punkt zwölf Uhr Nachts, in dem Moment, wo der Mond
in den Zenith treten wird, dort anlangen.
Die Mitglieder des Gun-Clubs müssen also unverzüglich
die für eine solche Unternehmung erforderlichen
Arbeiten vornehmen, um zu dem bestimmten
Zeitpunkt zum Operiren bereit zu sein; denn, lassen
sie diesen vierten December vorübergehen, so werden
sie erst achtzehn Jahre und elf Tage hernach den Mond
wieder in demselben Verhältniß der Erdnähe und des
Zeniths finden.
Das Bureau des Observatoriums zu Cambridge stellt
sich ihnen für die Fragen theoretischer Astronomie zu
Verfügung, und vereinigt seine Glückwünsche mit denen
ganz Amerikas.
Für das Bureau:
J. M. Belfast,
Director des Observatoriums zu Cambridge.«
— 36 —
5. ROMAN DES MONDES.
Ein mit unendlich scharfem Blick begabter Beobachter
in dem unbekannten Centrum, um welches dieWelt
gravitirt, würde zu der Zeit, als das Weltall im Chaos
lag, gesehen haben, wie Myriaden Atome den Raum erfüllten.
Aber allmälig, im Laufe der Jahrhunderte, ging
eine Veränderung vor, indem ein Gesetz der Anziehung
auf die bis dahin unsteten Atome wirkte. Diese Atome
traten ihrer Verwandtschaft gemäß in chemische Verbindung,
wurden zu Elementartheilchen und bildeten
jene Nebelmassen, welche durch den Himmel in seinen
Tiefen zerstreut sind.
Diese Massen wurden sogleich von einer Bewegung
um ihren Mittelpunkt beseelt. Solch ein Centrum unbestimmter
Elementarbestandtheilchen begann in allmäliger
Verdichtung sich um sich selbst zu drehen; ferner
nahm nach unveränderlichen mechanischen Gesetzen,
im Verhältniß wie sein Umfang durch Verdichtung
abnahm, seine Rundbewegung an Schnelligkeit
zu; und indem diese beiden Wirkungen fortdauerten,
ergab sich dadurch ein Hauptstern, der das Centrum
der Nebelmasse bildete.
Bei aufmerksamer Betrachtung würde der Beobachter
damals gewahrt haben, daß die anderen Elementartheilchen
der Masse sich ebenso wie der Centralstern
verhielten, sich in eigenthümlicher Weise durch eine
Rundbewegung von steigender Schnelligkeit verdichteten,
und in Gestalt unzähliger Sterne um denselben
— 37 —
als ihren Schwerpunkt kreisten. So entstand ein Nebelflecken,
deren die Astronomie jetzt gegen 5000 aufzählt.
Unter diesen 5000 Nebelflecken befindet sich die
von den Menschen sogenannte Milchstraße, welche
achtzehn Millionen Sterne zählt, deren jeder das Centrum
einer Sonnenwelt geworden ist.
Hätte der Beobachter damals seine besondere Aufmerksamkeit
einem von den achtzehn Millionen Sternen,
welcher zu den bescheidensten1 und am mindesten
glänzenden gehört, gewidmet, einem Sterne vierten
Ranges, der mit Stolz Sonne genannt wird, so würden
sich alle Erscheinungen der Weltbildung der Reihe
nach vor seinen Augen vollzogen haben.
In der That würde er diese Sonne noch im gasförmigen
Zustand und aus beweglichen Elementarbestandtheilchen
gebildet gesehen, und gewahrt haben, wie sie
sich um ihre Achse drehte, um ihr Concentrationswerk
zu vollziehen. Er würde beobachtet haben, wie diese
Bewegung, nach den Gesetzen der Mechanik, mit
der Abnahme des Umfangs an Schnelligkeit zunahm,
und dann ein Zeitpunkt kam, wo die centrifugale Kraft
über die centripetale, welche die Elementarbestandtheile
dem Centrum zutreibt, das Uebergewicht bekam.
Dann wäre vor den Augen des Beobachters eine
andere Erscheinung vorgegangen. Er hätte gewahrt,
1Der Durchmesser des Sirius muß nach Wollaston zwölfmal so
groß sein als der der Sonne.
— 38 —
wie die Elementartheile in der Gegend des Aequators,
gleich dem Stein einer Schleuder, deren Schnur plötzlich
zerreißt, sich losmachten und um die Sonne herum
mehrere concentrische Ringe gleich denen des Saturn
bildeten; wie sodann diese aus dem Urstoff bestehenden
Ringe für sich in eine Rundbewegung um die Centralmasse
fortgerissen zerbrachen und in Nebelgestirne
untergeordneter Art, d.h. in Planeten auflösten.
Hätte der Beobachter hierauf alle seine Achtsamkeit
auf die Planeten gerichtet, so hätte er gewahrt, daß
dieselben sich gerade wie die Sonne verhielten und einem
oder mehreren kosmischen Ringen den Ursprung
gaben, woraus jene Gestirne niederen Ranges entstanden,
welche man Trabanten nennt.
So bekommt man denn, aufsteigend vom Atom zum
Elementartheilchen, von diesem zum Nebelflecken und
weiter zum Nebelgestirn und zum Hauptstern, von diesem
zur Sonne, zu dem Planeten und seinen Trabanten
– einen Begriff von der ganzen Reihe der Umbildungen,
welche die Himmelskörper seit dem Ursprung der
Welt erfuhren.
Die Sonne scheint sich in der Unermeßlichkeit der
Sternenwelt zu verlieren, und dennoch gehört sie,
der gegenwärtigen wissenschaftlichen Theorie nach,
zu dem Nebelflecken der Milchstraße. So klein sie auch
inmitten der ätherischen Räume erscheinen mag, so ist
sie doch Centrum einer Welt und von enormer Größe,
denn diese beträgt 14,000mal die der Erde. Um sie
— 39 —
herum kreisen acht Planeten, welche zur ersten Schöpfungszeit
aus ihr selbst hervorgegangen sind. Diese
sind, vom nächsten zum entferntesten weiter gehend:
Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und
Neptun. Außerdem kreisen zwischen Mars und Jupiter
regelmäßig noch andere weniger beträchtliche Himmelskörper,
vielleicht unstete Trümmer eines in mehrere
tausend Stücke zerbrochenen Gestirns, von welchen
das Teleskop bis jetzt 97 entdeckt hat.1
Von diesen abhängigen Körpern, welche die Sonne
nach dem großen Gravitationsgesetz in ihrer elliptischen
Bahn beherrscht, besitzen einige ihre eigenen
Trabanten. Uranus hat deren acht, Saturn acht, Jupiter
vier, Neptun vielleicht drei, die Erde einen; dieser, der
einer der unbedeutendsten der Sonnenwelt ist, heißt
Mond: derselbe, den das kühne Genie der Amerikaner
zu erobern trachtete.
Das Nachtgestirn hat durch seine verhältnißmäßige
Nähe und die rasch erneuerte Anschauung seiner Phasen
von allem Anfang an zugleich mit der Sonne die
Aufmerksamkeit der Erdbewohner auf sich gezogen;
aber die Sonne ermüdet beim Anblick, und der blendende
Glanz ihres Lichtes nöthigt ihre Beschauer die
Augen abzuwenden.
Die blonde Phöbe dagegen ist menschenfreundlicher,
läßt sich gefällig in ihrer bescheidenen Anmuth
1Einige dieser Asteroiden sind so klein, daß man in einem Tage
um sie herum gehen könnte.
— 40 —
betrachten; sanft anzuschauen, wenig ehrgeizig, erlaubt
sie sich doch zuweilen, ihren Bruder, den strahlenden
Apollo, in Schatten zu stellen, ohne je von ihm
verdunkelt zu werden. Die Muhammedaner haben in
dankbarer Erkenntlichkeit gegen diese treue Freundin
der Erde ihre Monate nach ihrem Umlauf geregelt.1
Die Urvölker widmeten dieser keuschen Göttin einen
besonderen Gottesdienst. Die Aegyptier nannten sie
Isis, die Phönizier Astarte, die Griechen verehrten sie
unter dem Namen Phöbe, Tochter der Latona und Jupiter’s,
und erklärten ihre Verfinsterungen durch die geheimnißvollen
Besuche der Diana beim schönen Endymion.
Der mythologischen Legende nach durchstreifte
der Nemeische Löwe, bevor er auf der Erde erschien,
die Gefilde Luna’s, und der Dichter Agesianax verherrlichte
in Versen die süßen Augen, die reizende Nase
und den freundlichen Mund, welche die bestrahlten
Theile der anbetungswürdigen Selene erkennen lassen.
Aber begriffen auch die Alten den Charakter, das
Temperament, kurz, die moralischen Eigenschaften Luna’s
vom mythologischen Gesichtspunkt aus, so waren
doch selbst die Gelehrtesten derselben in der Selenographie
sehr unwissend.
1291
2 Tag ungefähr.
— 41 —
Jedoch entdeckten einige Astronomen der frühesten
Zeiten einige besondere Eigenschaften, welche zu heutiger
Zeit von der Wissenschaft bestätigt wurden. Behaupteten
die Arkadier, schon zu einer Zeit, da der
Mond noch nicht existirte, auf der Erde gewohnt zu
haben; hielt Simplicius ihn für unbeweglich am krystallenen
Himmelsgewölbe befestigt; sah Tatius ihn als
ein von der Sonnenscheibe abgetrenntes Fragment an;
nahm des Aristoteles Schüler Klearch ihn als einen polirten
Spiegel, auf welchem die Gebilde des Oceans
sich abstrahlten; sahen Andere in demselben nur eine
Anhäufung von Ausdünstungen der Erde, oder eine
Kugel, die halb aus Feuer, halb aus Eis bestand und sich
um sich selbst bewegte: so gab es doch einige Gelehrte,
die trotz dem Mangel an optischen Instrumenten
durch scharfsinnige Beobachtung die meisten Gesetze
erriethen, welchen das Nachtgestirn unterworfen ist.
Thales aus Milet äußerte 460 Jahre vor Christus die
Meinung, der Mond sei von der Sonne erleuchtet; Aristurch
zu Samos gab die richtige Erklärung seiner Phasen;
Kleomenes lehrte, er strahle entliehenes Licht wieder.
Der Chaldäer Berosus machte die Entdeckung, daß
die Dauer seiner Rundbewegung der seines Umlaufs
gleich sei, und erklärte daraus die Thatsache, daß der
Mond stets die nämliche Seite zeigt. Hipparch endlich,
zwei Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung,
erkannte einige Ungleichheiten in den anscheinenden
Bewegungen des Erdtrabanten.
— 42 —
Diese Beobachtungen bestätigten sich in der Folge,
und wurden den neuen Astronomen nützlich. Ptolemäus
im zweiten Jahrhundert, der Araber Abul-Wefa im
zehnten, vervollständigten des Hipparch Bemerkungen
über die Ungleichheiten, welche der Mond im Verfolgen
der wellenförmigen Linie seiner Bahn unter Einwirkung
der Sonne zu erleiden hat. Später haben Kopernicus
im fünfzehnten Jahrhundert, und Tycho Brahe
im sechzehnten, das Weltsystem und die Rolle, welche
der Mond unter den Himmelskörpern spielt, vollständig
dargestellt.
Zu dieser Zeit wurden seine Bewegungen fast vollständig
bestimmt; aber von seiner physischen Beschaffenheit
wußte man wenig. Damals erklärte Galiläi die
in gewissen Phasen eintretenden Lichterscheinungen
durch die Existenz von Bergen, welchen er eine durchschnittliche
Höhe von 4500 Toisen1 beilegte.
Später setzte Helvetius, ein Astronom aus Danzig,
die höchsten Angaben auf 2600 Toisen (15,600 par.
Fuß) herab; aber sein Genosse Riccioli kam wieder
auf 7000 Toisen. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts
beschränkte Herschel, der mit dem stärksten Teleskop
bewaffnet war, diese Maße bedeutend, indem
er für die höchsten Berge 1900 Toisen annahm, und
als durchschnittliche Höhe nur 400 Toisen (2400 par.
Fuß). Aber auch Herschel irrte noch, und es bedurfte
127,000 par. Fuß.
— 43 —
der Beobachtungen von Schröter, Louville, Halley, Nasmyth,
Bianchini, Pastorf, Lohrmann, Gruithuysen, und
besonders der ausdauernden Studien von Beer und
Mädler, um die Frage entschieden zu lösen. Ihnen verdankt
man es, daß man jetzt die Höhe der Mondberge
genau kennt. Die Letzteren beiden haben 1905 Berghöhen
gemessen, von denen sechs 2600 Toisen überragen,
22 über 2400; ihr höchster Gipfel reicht bis an
3801 Toisen über der Mondfläche.
Zu gleicher Zeit wurde die Kenntniß von der Beschaffenheit
des Mondes vollständiger; er zeigte sich
voll Krater, und seine wesentlich vulkanische Natur
ward durch jede Beobachtung bestätigt. Aus dem Mangel
an Brechung der Lichtstrahlen bei den von ihm verdeckten
Planeten schloß man, daß ihm eine Atmosphäre
fast gänzlich fehle. Aus diesem Mangel an Luft war
auf Mangel an Wasser zu schließen. Daraus ergab sich
klar, daß die Seleniten, um zu leben, besonders organisirt
und von den Bewohnern der Erde sehr verschieden
sein müßten.
Endlich haben die in Folge der neuen Methoden
noch mehr vervollkommneten Instrumente den Mond
unablässig untersucht und ließen keinen Punkt seiner
Oberfläche undurchforscht, und doch mißt sein
Durchmesser 2500 Meilen, seine Oberfläche beträgt
den dreizehnten Theil der Erdoberfläche, sein Umfang
den 49sten Theil der Erdkugel; aber dem Auge der
Astronomen blieb keins seiner Geheimnisse verborgen;
— 44 —
und diese geschickten Gelehrten gelangten mit ihren
wundervollen Beobachtungen noch weiter.
So bemerkten sie, daß zur Zeit des Vollmonds die
Scheibe an manchen Stellen von weißen Linien durchfurcht
schien, zur Zeit der Phasen mit schwarzen.
Durch genauere Studien gelang es ihnen, über die Natur
dieser Linien sich nähere Auskunft zu verschaffen.
Es waren lange, enge Furchen, tief zwischen parallelen
Rändern, welche meist in die Umkreise von Kratern
ausliefen, von 800 Toisen (4800 Fuß) Breite und zehn
bis hundert Meilen Länge. Die Astronomen nannten
sie Furchen (Streifen), das war aber auch Alles; denn
ob es ausgetrocknete Bette vormaliger Flüsse seien,
konnten sie nicht bestimmt entscheiden. Daher hofften
auch die Amerikaner, diese geologische Thatsache früher
oder später in’s Reine zu bringen. Auch behielten
sie sich vor, jene Reihe von parallelen Wällen zu durchforschen,
welche der gelehrte Professor Gruithuysen
zu München entdeckte, der sie für von seleniten Ingenieuren
errichtete Befestigungswerke hielt. Diese beiden
noch unklaren Punkte, und unstreitig noch viele
andere können wohl nicht eher als nach Herstellung
einer directen Verbindung mit dem Monde in’s Reine
gebracht werden.
In Betreff der Stärke seines Lichtes war nichts weiter
zu lernen; man wußte, daß dasselbe 300,000mal
schwächer als das Sonnenlicht ist, und daß seine Wärme
nicht berechenbar auf die Thermometer wirkt. Was
— 45 —
die unter dem Namen »aschfarbiges Licht« bekannte
Erscheinung betrifft, so ist sie natürlich durch die Wirkung
der von der Erde auf den Mond zurückgeworfenen
Sonnenstrahlen zu erklären, welche die Mondscheibe
zu ergänzen scheinen, wann dieser in Form eines
Halbmonds beim ersten und letzten Viertel zu sehen
ist.
Diesen Stand der Kenntnisse, welche man über den
Trabanten der Erde gewonnen hatte, in allen Gesichtspunkten,
dem kosmographischen, geologischen, politischen
und moralischen, zu vervollständigen, machte
sich der Gun-Club zur Aufgabe.
6. WAS IN DEN VEREINIGTEN STAATEN NUN NICHT
MEHR UNBEKANNT SEIN KANN, UND WAS MAN NICHT
MEHR GLAUBEN DARF.
Barbicane’s Vorschlag hatte zur unmittelbaren Folge,
daß alle astronomischen Thatsachen, welche sich
auf das Gestirn der Nacht bezogen, auf die Tagesordnung
kamen. Jeder machte sich daran, dieselbe eifrig
zu studiren. Es schien als sei der Mond zum ersten Male
am Horizont aufgetreten, und es habe ihn bisher
noch Niemand am Himmel gesehen. Luna wurde zur
Mode: sie wurde Löwin des Tages, ohne deshalb weniger
bescheiden aufzutreten, sie nahm ihren gebührenden
Rang unter den »Gestirnen« ein, ohne darum
— 46 —
mehr Stolz erkennen zu lassen. Die Journale wärmten
die alten Anekdoten wieder auf, worin diese »Sonne
der Wölfe« gepriesen wurde; sie erinnerten an den
Einfluß, welchen die Unwissenheit früherer Zeiten ihr
geliehen, und sangen ihre Loblieder in allen Tonarten;
fast hätten sie bon mots von ihr zum Besten gegeben;
ganz Amerika wurde mondsüchtig.
Die wissenschaftlichen Zeitschriften behandelten ihrerseits
die mit der Unternehmung des Gun-Clubs zusammenhängenden
Fragen specieller; das Schreiben
des Observatoriums zu Cambridge wurde von ihnen
veröffentlicht, erläutert und rückhaltlos gebilligt.
Kurz, selbst dem mindest wissenschaftlichen Yankee
war es nicht mehr gestattet, in Beziehung auf seinen
Trabanten nur eine einzige Thatsache nicht zu kennen,
sowenig wie der bornirtesten alten Mistreß, ferner die
in Betreff desselben gehegten abergläubischen Irrthümer
gelten zu lassen. Die Wissenschaft gelangte unter
allen Formen zu ihnen, drang durch die Augen und Ohren
in ihren Geist; es war nicht mehr möglich, ferner
ein Esel zu sein . . . in Sachen der Astronomie.
Bisher war es vielen Leuten unbekannt, wie man die
Entfernung des Mondes von der Erde zu berechnen im
Stande war. Man benützte diesen Umstand sie zu belehren,
daß man diese Kenntniß durch Messung der
Parallaxe des Mondes gewinne. Waren sie über dieses
Wort betroffen, so sagte man ihnen, so heiße man
den Winkel, welchen zwei gerade Linien bildeten, die
— 47 —
man von den beiden Enden des Erddurchmessers zu
dem Monde hinzog. Zweifelten sie an der Zulänglichkeit
dieser Methode, so bewies man ihnen unmittelbar,
nicht allein, daß dieser mittlere Abstand wohl 234,347
(engl.) Meilen (= 94,330 Lieues) betrug, sondern auch
daß die Astronomen sich nicht um siebenzig Meilen irrten.
Denen, welche mit den Bewegungen des Mondes
nicht genau bekannt waren, erklärten die Journale täglich,
daß er zwei verschiedene Bewegungen habe, erstens
die Umdrehung um seine Achse, und zweitens
den Umlauf um die Erde, welche beide Bewegungen in
gleicher Zeit vorgingen, nämlich binnen 27 und einem
Drittel Tag.
Die Umdrehung um seine Achse bewirkt für die
Mondoberfläche Tag und Nacht; nur daß es binnen eines
Monats auf dem Mond nur einen Tag giebt, und
nur eine Nacht, von denen jedes 354 und ein Drittel
Stunden dauert. Aber zum Glück ist die der Erde zugekehrte
Seite von dieser mit einem Licht bestrahlt, welches
vierzehnmal stärker als das Mondlicht ist. Die andere,
stets unsichtbare Seite hat natürlich 354 Stunden
absolute Nacht, welche nur durch das schwache Licht,
das von den Sternen her ihr zufällt, gemildert wird.
Diese Erscheinung rührt einzig von der Eigenthümlichkeit
her, daß die Bewegungen der Umdrehung und des
Umlaufs in vollständig gleicher Zeit vor sich gehen; eine
Erscheinung, die nach Cassini und Herschel auch
— 48 —
bei den Trabanten Jupiter’s, und sehr wahrscheinlich
bei allen anderen Trabanten vorkommt.
Manche recht gescheite, aber etwas starre Köpfe begriffen
nicht sogleich, daß, wenn der Mond bei seinem
Umlauf um die Erde derselben stets das nämliche Antlitz
zuwendet, er während derselben Zeit sich dabei um
sich selber dreht. Zu diesen sagte man: »Treten Sie in
Ihren Speisesaal und gehen Sie um den Tisch herum,
so daß Sie den Blick stets dem Centrum zuwenden;
wenn Sie mit diesem Rundgang fertig sind, findet sich,
daß Sie zugleich sich selbst umgedreht haben, denn
Ihr Auge hat nach und nach alle Punkte des Saals angeblickt.
Nun! Der Saal ist der Himmel, der Tisch ist
die Erde, und der Mond sind Sie!« – Und sie waren
höchlich befriedigt durch die Vergleichung.
Also, der Mond zeigt der Erde unablässig dieselbe
Seite; doch muß man, um exact zu sein, beifügen,
daß er, in Folge einer gewissen schwankenden Bewegung
von Norden nach Süden, und von Westen nach
Osten, welche man »Libration« nennt, etwas mehr als
die Hälfte seiner Scheibe, nämlich ungefähr 57 Hunderttheile,
sehen läßt.
Als die Unwissenden über die Rundbewegung des
Mondes ebenso viel wußten, als der Director des Observatoriums
zu Cambridge, beunruhigten sie sich über
seine Umlaufbewegung um die Erde, und 20 wissenschaftliche
Zeitschriften waren rasch bei der Hand, sie
zu belehren. Sie lernten dabei, daß das Firmament mit
— 49 —
seinen unzähligen Sternen wie ein großes Zifferblatt
angesehen werden kann, worauf der Mond herum spaziert
und allen Erdbewohnern die richtige Stunde angiebt;
daß das Nachtgestirn bei dieser Bewegung seine
verschiedenen Phasen zeigt; daß es Vollmond ist, wenn
er auf der der Sonne entgegengesetzten Seite (in Opposition)
steht, d.h. die drei Gestirne in derselben Linie,
in der Mitte die Erde; Neumond dagegen, wenn
er seinen Stand zwischen der Erde und der Sonne hat
(mit ihr in Conjunction ist); endlich, daß der Mond in
seinem ersten oder letzten Viertel sich befindet, wenn
er an der Spitze eines rechten Winkels steht, welchen
die beiden Linien nach der Sonne und der Erde hin,
bilden.
Einige scharfsinnige Yankees zogen daraus den
Schluß, daß die Verfinsterungen nur zur Zeit der Conjunction
oder Opposition stattfinden könnten, und sie
urtheilten richtig. Im Stand der Conjunction vermag
der Mond die Sonne zu verfinstern, während bei der
Opposition die Erde ihn verfinstern kann, und daß
nur deshalb die Finsternisse nicht zweimal bei jedem
Mondumlauf eintreten, weil die Ebene der Mondbewegung
gegen die Ekliptik, d.h. die Bahn der Erdbewegung,
geneigt ist.
Was die Höhe betrifft, welche das Nachtgestirn über
dem Horizont einnehmen kann, so hatte das Schreiben
des Observatoriums in der Hinsicht Alles gesagt. Jeder
wußte, daß diese Höhe sich nach dem Breitegrad des
— 50 —
Beobachters ändert. Aber die einzige Zone, für welche
der Mond im Zenith, d.h. gerade über dem Scheitel
seiner Bewohner, stehen kann, liegt nur zwischen dem
Aequator und dem 28sten Grad südlicher wie nördlicher
Breite.
Deshalb wurde so dringend empfohlen, das Experiment
nur auf einem Punkt innerhalb dieser Zone
vorzunehmen, damit man das Geschoß senkrecht abschleudern
und um so schneller der Wirkung der
Schwere entziehen könne. Das Gelingen des Vorhabens
war an diese wesentliche Bedingung geknüpft, und die
öffentliche Meinung mußte sich daher lebhaft dafür interessiren.
In Betreff der Linie, welche der Mond bei seiner
Bahn um die Erde beschreibt, hatte das Observatorium
zu Cambridge hinlänglich, auch den Ignoranten aller
Länder, gezeigt, daß dieselbe nicht ein Kreis ist, sondern
eine Ellipse, worin sich die Erde an einem der
Brennpunkte befindet. Diese elliptischen Bahnen finden
sich bei allen Planeten, wie bei allen Trabanten,
und die rationelle Mechanik beweist mit aller Schärfe,
daß es nicht anders möglich ist. Selbstverständlich begriff
man, daß die Erdferne des Mondes seinen Stand
an demjenigen Punkt seiner Bahn bedeute, welcher am
weitesten von der Erde ab liegt, seine Erdnähe den an
dem nächsten bei derselben.
Dieses also mußte jeder Amerikaner, er mochte wollen
oder nicht, wissen, und anständiger Weise konnte
— 51 —
Niemand darin unwissend sein. Aber verbreiteten sich
auch dergestalt rasch die richtigen Ansichten, so war es
nicht so leicht, eine Menge Irrthümer, manche falsche
Besorgnisse, auszurotten.
So behaupteten z.B. manche wackeren Leute, der
Mond sei ein vormaliger Komet, der bei seiner verlängerten
Bahn um die Sonne in der Nähe der Erde
vorbeigekommen und in seinem Anziehungskreis festgehalten
worden sei. Diese Salon-Astronomen meinten
damit das verbrannte Aussehen des Mondes zu erklären.
Man brauchte ihnen aber nur die Bemerkung zu
machen, daß die Kometen eine Atmosphäre haben, der
Mond keine oder sehr wenig, und sie wußten nichts
darauf zu erwidern.
Andere äußerten hinsichtlich des Mondes gewisse
Besorgnisse. Sie hatten gehört, seit den zur Zeit der Kalifen
gemachten Beobachtungen nehme seine Umlaufbewegung
an Schnelligkeit in gewissem Verhältniß zu.
Daraus folgerten sie ganz logisch, daß einer beschleunigten
Bewegung eine Verminderung des Abstandes
beider Gestirne entsprechen müsse, und daß, wenn
diese doppelteWirkung in’s Unendliche fortdauere, am
Ende der Mond einmal auf die Erde fallen müsse. Doch
sie mußten ihre Besorgnisse um die zukünftigen Generationen
aufgeben, als man sie lehrte, daß nach Laplace’s
Berechnungen diese Beschleunigung der Bewegung
sich in sehr engen Schranken hält, und eine verhältnißmäßige
Verminderung unfehlbar darauf folgen
— 52 —
werde, demnach eine Störung des Gleichgewichts in
der Sonnenwelt in Zukunft nicht stattfinden könne.
Nun blieben noch die abergläubischen Ignoranten,
welche sich nicht darauf beschränken, nichts zu wissen,
vielmehr wissen, was nicht ist; und hinsichtlich
des Mondes wußten sie ein Langes und Breites. Die
Einen sahen seine Scheibe wie einen Polirspiegel an,
vermittelst dessen man an verschiedenen Punkten der
Erde sich sehen und seine Gedanken mittheilen könne.
Andere behaupteten, bei tausend Neumonden, die
man beobachtete, seien auf 950 erhebliche Veränderungen
erfolgt, Ueberschwemmungen, Revolutionen,
Erdbeben etc.; sie glaubten daher an einen mysteriösen
Einfluß des Nachtgestirns auf die menschlichen Schicksale;
sie meinten, jeder Erdbewohner stehe durch ein
Band der Sympathie mit einem Mondbewohner in Verbindung;
mit dem Doctor Mead behaupteten sie, das
Lebenssystem sei ihm völlig unterworfen, Knaben würden
nur zur Zeit des Neumonds geboren, Mädchen zur
Zeit des letzten Viertels etc. etc. Aber endlich mußten
sie diese Irrthümer aufgeben; und wenn der Mond,
seitdem er seines Einflusses beraubt ist, in den Augen
gewisser Leute, die allen Mächtigen den Hof machen,
gesunken ist, wenn Manche ihm den Rücken kehrten,
so erklärte sich die immense Majorität zu seinen Gunsten.
Die Yankees hatten keinen anderen Ehrgeiz mehr,
als den, von diesem neuen Continent der Lüfte Besitz
zu ergreifen, und das Sternenbanner der Vereinigten
— 53 —
Staaten Amerikas auf seinem höchsten Gipfel aufzupflanzen.
7. LOBLIED DER KUGEL.
Das Observatorium zu Cambridge hatte in seinem
merkwürdigen Schreiben vom 7. October die Frage
vom astronomischen Gesichtspunkte aus behandelt;
nun handelte sich’s um die technische Lösung derselben.
In jedem anderen Lande hätte man die praktischen
Schwierigkeiten für unüberwindlich gehalten. In
Amerika war’s nur ein Spiel.
Ohne Zeit zu verlieren, hatte der Präsident Barbicane
im Schooße des Gun-Clubs ein Ausführungscomité
ernannt. Dieses sollte in drei Sitzungen die drei großen
Fragen, der Kanone, des Projectils und des Pulvers, beleuchten.
Es waren vier sehr sachverständige Mitglieder:
Barbicane, mit überwiegender Stimme bei Stimmengleichheit,
der General Morgan, der Major Elphiston,
und der unvermeidliche J. T. Maston als berichterstattender
Secretär.
Am 8. October versammelte sich das Comité bei dem
Präsidenten Barbicane, 3 Republican-street. Da bei einer
so ernsten Berathung der Magen keine Störung
machen durfte, so war der Tisch, woran die vier Mitglieder
des Gun-Clubs Platz nahmen, mit Sandwichs1
1Bemmen mit Fleisch etc.
— 54 —
und ansehnlichen Theekannen besetzt. Sogleich befestigte
Maston seine Feder an seinen eisernen Haken1
und die Sitzung begann.
Barbicane ergriff das Wort:
»Liebe Collegen«, sprach er, »wir haben eins der
wichtigsten Probleme der Ballistik zu lösen, der Wissenschaft,
welche sich mit der Bewegung der Projectile
beschäftigt, d.h. der Körper, welche durch irgend eine
Treibkraft in den Raum hinausgeschleudert, dann sich
selbst überlassen werden.«
– O! die Ballistik! die Ballistik! rief J.T. Maston mit
gerührter Stimme.
»Vielleicht«, fuhr Barbicane fort, »wäre es richtiger
gewesen, diese erste Sitzung der Besprechung der Maschine
zu widmen . . . «
– Ja wohl! erwiderte der General Morgan.
»Doch schien mir«, fuhr Barbicane fort, »nach reiflicher
Erwägung die Frage des Projectils voraus gehen
zu müssen, da von dem letzteren die Dimensionen der
ersteren abhängen müssen.«
– Ich bitte um’s Wort, rief J.T. Maston.
Es wurde ihm gerne vergönnt.
»Meine tapferen Freunde«, sagte er mit gehobener
Stimme, »unser Präsident hat Recht, dem Projectil den
Vorrang zu geben. Diese Kugel, welche wir auf den
Mond schleudern wollen, ist unser Abgesandter, und
1Welcher dem Invaliden die rechte Hand ersetzte.
— 55 —
ich möchte mir erlauben, denselben vom rein moralischen
Gesichtspunkt aus in Betrachtung zu nehmen.«
Diese ungewöhnliche Betrachtungsweise eines Projectils
reizte ausnehmend die Neugierde der Comitémitglieder;
sie schenkten daher den Worten Maston’s
die gespannteste Aufmerksamkeit.
»Liebe Collegen«, fuhr dieser fort, »ich will mich kurz
fassen; ich lasse die physische Kugel, welche tödtet, bei
Seite, um nur die mathematische, die moralische, zu
betrachten. Ich erkenne in der Kugel die glänzendste
Kundgebung der Macht des Menschen; bei ihrer Schöpfung
hat sich der Mensch am meisten dem Schöpfer
genähert.«
– Sehr gut! sagte der Major Elphiston.
»Wahrhaftig«, rief der Redner, »wie Gott die Sterne
und die Planeten geschaffen hat, so schuf der Mensch
die Kugel, das Nachbild der im Weltenraum schweifenden
Gestirne, die in Wahrheit nur Projectile sind!
Gott schuf die Schnelligkeit der Elektricität, des Lichtes,
der Sterne, der Kometen, Planeten und Trabanten,
die Schnelligkeit des Tons, des Windes! Wir aber die
Schnelligkeit der Kugel, welche die der Bahnzüge und
der flüchtigsten Rennpferde hundertmal übertrifft!«
J. T. Maston war begeistert; er sang dieses Loblied
mit lyrischem Schwung.
»Zahlen sprechen mit Beredtsamkeit«, fuhr er fort.
»Nehmen Sie nur den bescheidenen 24pfünder; fliegt
— 56 —
er auch 800,000mal weniger rasch als die Elektricität,
640 tausendmal minder als das Licht, 76mal minder
schnell, als die Erde sich um die Sonne bewegt,
so übertrifft er doch, wenn er aus der Kanone herauskommt,
bereits die Schnelligkeit des Tones, macht in
der Secunde 200 Toisen (= 1200 par. Fuß), 2000 in
zehn, vierzehn (engl.) Meilen (sechs Lieues) in der Minute,
840 Meilen in der Stunde (460 Lieues), 20,100
Meilen (8640 Lieues) im Tag, d.h. die Schnelligkeit
der Punkte des Aequators bei seiner Umdrehung um
seine Achse, 7,336,500 Meilen (3,155,760 Lieues) im
Jahr. Er würde also in elf Tagen zum Monde gelangen,
in zwölf Jahren bis zur Sonne. Das könnte diese bescheidene
Kugel, unserer Hände Werk! Was wäre es,
wenn wir ihm diese Schnelligkeit 20fach gäben! Ah!
prachtvolle Kugel! ich denke wohl, man wird dich dort
oben als Abgesandten der Erde mit gebührenden Ehren
empfangen!«
Die Rede wurde mit Hurrah aufgenommen, und Maston
von seinen Collegen mit Glückwünschen begrüßt.
»Und nun«, sagte Barbicane, »nachdem wir der Poesie
Raum gegeben, lassen Sie uns die Frage direct anfassen.
«
– Wir sind dazu bereit, erwiderten die Mitglieder des
Comité, und verschlangen jeder ein halbes Dutzend
Sandwichs.
— 57 —
»Sie kennen unsere Aufgabe«, fuhr der Präsident
fort; »es handelt sich darum, einem Projectil die Geschwindigkeit
von 12,000 Yards1 in der Secunde zu geben.
Ich darf wohl glauben, daß wir dieses erreichen
können. Zunächst mustern wir die bis jetzt erzielten
Geschwindigkeiten; der General Morgan wird im Stande
sein, uns darüber zu unterhalten.«
– Um so leichter, erwiderte der General, als ich während
des Krieges der Commission für die Experimente
angehörte. Ich bemerke daher, daß Dahlgreen’s Cent-
Kanonen, welche 2500 Toisen (15,000 Fuß) weit trugen,
ihrem Projectil eine anfängliche Geschwindigkeit
von 500 Yards in der Secunde gaben.
– Gut. Und die Columbiade2 Rodman? fragte der Präsident.
– Die beim Fort Hamilton, nächst New-York, verwendete
Columbiade Rodman schleuderte eine Kugel von
einer halben Tonne3 Gewicht sechs Meilen weit mit einer
Schnelligkeit von 800 Yards in der Secunde, ein Resultat,
das Armstrong und Palliser in England niemals
erreichten.
– Ja! Die Engländer! sagte J. T. Maston mit einer drohenden
Bewegung nach Osten.
– Also, fuhr Barbicane fort, diese 800 Yards wären
die größte bis jetzt erzielte Geschwindigkeit.
1Engl. Elle = drei Fuß.
2Diesen Namen gaben die Amerikaner ihren Riesenkanonen.
3500 Kilogramm.
— 58 —
– Ja, erwiderte Morgan.
– Doch will ich bemerken, fiel J. T. Maston ein, wäre
mein Mörser nicht zersprungen . . .
– Ja, aber er ist doch zersprungen, entgegnete Barbicane
mit wohlwollender Handbewegung. Wir haben
also diese Geschwindigkeit von 800 Yards als Ausgangspunkt
zu nehmen. Wir müssen sie 20fach erzielen.
Da wir nun die Berathung über die Mittel, solch eine
Geschwindigkeit zu bekommen, für eine andere Sitzung
bestimmt haben, so will ich, werthe Collegen, Ihre
Aufmerksamkeit auf die Dimensionen richten, welche
wir der Kugel geben müßten. Sie sehen wohl, daß
sich’s nicht mehr um Projectile von einer halben Tonne
handelt!
– Warum nicht? fragte der Major.
– Weil diese Kugel, fiel Maston lebhaft ein, groß genug
sein muß, um die Aufmerksamkeit der Mondbewohner,
wenn’s deren giebt, auf sich zu ziehen.
– Ja, erwiderte Barbicane, und noch aus einem andern
wichtigen Grund.
–Was meinen Sie damit, Barbicane, fragte der Major.
– Ich meine, es genügt nicht, ein Projectil fortzuschleudern,
und sich nicht weiter darum zu bekümmern;
wir müssen ihm folgen bis zu dem Moment, wo
es am Ziele anlangen wird.
– Hm! äußerten sich der General und der Major etwas
überrascht.
— 59 —
– Allerdings, fuhr Barbicane fort, oder unser Experiment
wird kein Resultat haben.
– Aber dann, erwiderte der Major, wollen Sie dem
Projectil enorme Dimensionen geben?
– Nein. Hören Sie gefälligst. Sie wissen, daß die optischen
Instrumente eine große Vollkommenheit erlangt
haben; mit einigen Teleskopen hat man bereits 6000fache
Vergrößerungen erlangt, so daß man damit den
Mond bis auf 40 englische Meilen nahe gebracht hat.
In dieser Entfernung nun sind Gegenstände von 60 Fuß
Umfang völlig sichtbar. Hat man die Schärfe der Teleskope
noch nicht weiter gebracht, so geschah es, weil
dies nur auf Kosten der Klarheit möglich ist. Da nun
der Mond ein schwaches reflectirtes Licht hat, so kann
man nicht auf eine weitere Vergrößerung denken.
– Nun! was wollen Sie also machen? fragte der General.
Werden Sie Ihrem Projectil einen Durchmesser
von 60 Fuß geben?
– Nein!
– Also wollen Sie dem Mond mehr Leuchtkraft geben?
– Ja wohl.
– Nun, das ist stark! rief J. T. Maston aus.
– Ja, sehr einfach, erwiderte Barbicane. In der That,
wenn es mir gelingt, die Dichtheit der Atmosphäre,
welche das Mondlicht zu durchdringen hat, zu vermindern,
wird dadurch nicht dieses Licht stärker leuchten?
– Unstreitig!
— 60 —
– Nun denn! Zu diesem Zweck wird es genügen, ein
Teleskop auf einem hohen Berg aufzustellen.
– Ich ergebe mich, erwiderte der Major. Was haben
Sie für eine Art, die Dinge zu vereinfachen! . . . Und
welche Verstärkung hoffen Sie dadurch zu erlangen?
– 48,000mal, wodurch der Mond auf fünf Meilen nahe
gebracht wird; und um sichtbar zu sein, brauchen
die Gegenstände nur neun Fuß Durchmesser zu haben.
– Vortrefflich! rief Maston, unser Projectil wird also
neun Fuß Durchmesser bekommen?
– Ja wohl.
– Erlauben Sie mir indessen zu bemerken, sprach der
Major Elphiston, daß es dann noch ein Gewicht hat . . .
– O! Major, erwiderte Barbicane, ehe wir sein Gewicht
besprechen, lassen Sie mich anführen, daß unsere
Väter in der Hinsicht Wunderbares leisteten. Ich
bin weit entfernt zu behaupten, die Ballistik habe keine
Fortschritte gemacht, aber es ist doch zu merken,
daß man bereits im Mittelalter erstaunliche Resultate
erzielte, ich darf sagen, erstaunlichere, als unsere sind.
– Zum Beispiel! entgegnete Morgan.
– Beweisen Sie, was Sie sagen, rief lebhaft J. T. Maston.
– Nichts leichter als dies, erwiderte Barbicane, ich
kann Beispiele anführen. Bei der Belagerung Constantinopels
durch Mahomet II. im Jahre 1543 warf man
steinerne Kugeln, die wogen 1900 Pfund, und waren
wohl hübsch groß.
— 61 —
– O! O! sagte der Major, neunzehn Centner ist eine
starke Ziffer!
– Zur Zeit der Malteserritter war auf dem Fort St.
Elme eine Kanone, die warf Projectile von 2500 Pfund.
– Nicht möglich!
– Endlich, nach einem französischen Geschichtschreiber
unter Louis XI., gab’s einen Mörser, der warf
eine Bombe, zwar nur von 500 Pfund; aber diese Bombe
flog von der Bastille, wo die Gescheiten von den
Narren eingeschlossen wurden, bis nach Charenton,
wo die Narren von den Gescheiten eingesperrt werden.
– Sehr gut! sagte J. T. Maston.
– Was haben wir seitdem erlebt, kurz zu sagen? Die
Armstrong-Kanonen werfen 500pfünder, Rodman’s Columbiade
Projectile von einer halben Tonne! Es scheint
demnach, die Projectile haben an Tragweite gewonnen,
an Gewicht verloren. Wenn wir nun unsere Bemühungen
nach dieser Seite hin richten, müssen wir, vermöge
des Fortschritts der Wissenschaft, es dahin bringen,
das zehnfache Gewicht der Kugeln Mahomet’s II.
und der Malteser zu erzielen.
– Offenbar, erwiderte der Major, aber welches Metall
denken Sie für das Projectil zu verwenden?
– Gußeisen, ganz einfach, sagte der General Morgan.
– Pfui! Gußeisen! rief Maston verächtlich, das ist
doch zu gemein für eine Kugel, die den Mond besuchen
soll.
— 62 —
– Lassen wir die Uebertreibungen, mein ehrenwerther
Freund, erwiderte Morgan; Gußeisen genügt.
– Nun! fuhr der Major Elphiston fort, dann wird, weil
das Gewicht der Kugel im Verhältniß zu ihrem Umfang
steht, eine Kugel von Gußeisen mit einem Durchmesser
von neun Fuß, immer noch ein furchtbares Gewicht
haben!
– Ja, wenn massiv; nicht aber, wenn sie hohl ist, sagte
Barbicane.
– Hohl? Also eine Haubitz-Granate?
– In die man Depeschen stecken kann, und Pröbchen
von unseren Producten?
– Ja, eine Hohlkugel, erwiderte Barbicane, muß es
durchaus sein; eine massive von 108 Zoll würde über
200,000 Pfund wiegen, ein offenbar zu beträchtliches
Gewicht; doch da man dem Geschoß eine gewisse Festigkeit
bewahren muß, so schlage ich vor, ihm ein Gewicht
von 5000 Pfund zu geben.
– Wie dick sollen denn die Wände sein? fragte der
Major.
– Dem regelmäßigen Verhältniß nach, versetzte Morgan,
verlangt ein Durchmesser von 108 Zoll mindestens
zwei Fuß dicke Wände.
– Das wäre viel zu viel, erwiderte Barbicane; bemerken
Sie wohl, es handelt sich hier nicht um eine Kugel,
die Platten durchbohren soll; die Wände brauchen
nur so stark zu sein, um dem Druck des Pulvergases
widerstehen zu können. Also stellt sich die Frage: wie
— 63 —
dick muß eine Hohlkugel von Gußeisen sein, die nur
20,000 Pfund wiegen soll? Unser geschickter Berechner,
der wackere Maston, wird’s uns unverzüglich sagen
können.
– Nichts ist leichter, versetzte der ehrenwerthe Secretär
des Comités. Bei diesen Worten schrieb er einige
algebraische Formeln nieder; aus seiner Feder kamen
und x in zweiter Potenz. Es hatte sogar das Ansehen,
als ziehe er, ohne nur anzurühren, eine bestimmte
Kubik-Wurzel aus; darauf sprach er:
»Die Wände brauchen kaum zwei Zoll dick zu sein.«
– Sollte das hinreichen? fragte der Major mit zweifelnder
Miene.
– Nein, erwiderte der Präsident, sicherlich nicht.
– Nun, was ist dann zu thun? fuhr Elphiston etwas
verlegen fort.
– Wir nehmen ein anderes Metall.
– Kupfer? sagte Morgan.
– Nein, das ist auch zu schwer; ich hab’ Ihnen was
besseres vorzuschlagen.
– Was denn? sagte der Major.
– Aluminium, erwiderte Barbicane.
– Aluminium! riefen die drei Collegen des Präsidenten.
– Ganz gewiß! meine Freunde. Sie wissen, daß
es einem berühmten französischen Chemiker, Sainte-
Claire-Deville, im Jahre 1854 gelungen ist, Aluminium
in fester Masse darzustellen. Dieses köstliche Metall ist
— 64 —
weiß wie Silber, unveränderlich wie Gold, zäh wie Eisen,
schmelzbar wie Kupfer und leicht wie Glas; leicht
zu bearbeiten, in der ganzen Natur sehr verbreitet, –
denn es bildet die Basis der meisten Gesteine – ist es
dreimal leichter wie Eisen, und es scheint ganz dazu
geschaffen zu sein, um für unser Projectil den geeigneten
Stoff zu liefern!
– Hurrah dem Aluminium! rief der Secretär des Comités.
– Aber, lieber Präsident, sagte der Major, ist das Aluminium
nicht sehr theuer?
– Das war es im Anfang, erwiderte Barbicane; da kostete
das Pfund 260 bis 280 Dollars;1 hernach sank es
auf 27 Dollars und nun gilt es nur 9 Dollars.
– Aber neun Dollars das Pfund, erwiderte der Major,
ist noch enorm theuer.
– Allerdings, lieber Major, ist der Preis hoch, aber
doch aufzubringen.
– Wie schwer wird dann das Projectil wiegen? fragte
Morgan?
– Ich will Ihnen das Ergebniß meiner Berechnungen
sagen, erwiderte Barbicane. Eine Kugel von 108 Zoll2
Durchmesser und zwölf Zoll Dicke würde in Gußeisen
67,440 Pfund wiegen; aus Aluminium gegossen, würde
ihr Gewicht auf 19,250 Pfund herabsinken.
1= 1500 Frs.; ein Dollar = 1 Thlr. 11 Sgr. 3 Pf. = 2 Fl. 241
4 Kr.
2Ein amerikanischer Zoll = 25 Millimeter.
— 65 —
– Vortrefflich! rief Maston, das paßt ja in unser Programm.
– Vortrefflich! vortrefflich! erwiderte der Major, aber
wissen Sie nicht, was bei einem Preis von achtzehn
Dollars per Pfund das Projectil kosten wird . . .
– 173,250 Dollars,1 ich weiß es genau; aber haben
Sie keine Besorgnisse, meine Freunde, an Geld wird’s
für unser Unternehmen nicht fehlen, ich stehe dafür.
– Es wird in unsere Kassen regnen.
– Nun, was halten Sie vom Aluminium? fragte der
Präsident.
– Angenommen, riefen sie einstimmig.
– Auf die Form des Projectils kommt wenig an, fuhr
Barbicane fort, weil dasselbe, wenn es einmal über
der Atmosphäre ist, sich im leeren Raum befindet; ich
schlage also eine runde Kugel vor, die nach Belieben
sich um sich selbst drehen kann.
So endete die erste Sitzung des Comités; die Frage
des Projectils war entschieden, und J. T. Maston war
hoch erfreut bei dem Gedanken, eine Kugel von Aluminium
abzusenden, »was den Seleniten eine recht hübsche
Idee von den Erdbewohnern geben würde!«
8. GESCHICHTE DER KANONE.
Die in der ersten Sitzung gefaßten Beschlüsse erregten
großes Aufsehen. Manche schüchterne Leute erschraken
ein wenig beim Gedanken, eine Kugel von
1928,437 Franks. 50 C.
— 66 —
20,000 Pfund durch den Raum zu schleudern. Man
fragte sich, welche Kanone jemals im Stande wäre,
einer solchen Masse eine hinreichende Anfangsgeschwindigkeit
zu geben. Das Protokoll der zweiten Comitésitzung
sollte diese Frage siegreich beantworten.
Den folgenden Abend nahmen die vier Mitglieder
des Gun-Clubs abermals vor Bergen von Sandwichs
und einem Ocean von Thee Platz. Die Berathung begann
sogleich, diesmal ohne einleitende Vorrede.
»Liebe Collegen«, sagte Barbicane, »wir haben uns
nun mit der zu construirenden Maschine zu beschäftigen,
ihrer Länge, Gestalt, Zusammensetzung und Gewicht.
Möglich, daß wir derselben werden riesenmäßige
Dimensionen geben müssen; aber so groß auch die
Schwierigkeiten sein werden, unser industrielles Genie
wird sie leicht überwinden. Hören Sie mich also
gefälligst an und verschonen mich nicht mit treffenden
Einwendungen. Ich fürchte sie nicht!«
Diese Erklärung wurde mit beifälligem Brummen
aufgenommen.
»Behalten wir im Sinn«, fuhr Barbicane fort, »an welchem
Punkt unsere gestrige Berathung angelangt ist;
die Aufgabe stellt sich nun unter folgender Form: einer
Hohlkugel von 108 Zoll Durchmesser und 20,000
Pfund Gewicht eine Anfangsgeschwindigkeit von 12,000
Yards in der Secunde zu geben.«
– Das ist in der That jetzt die Aufgabe, erwiderte der
Major Elphiston.
— 67 —
»Wenn also«, fuhr Barbicane fort, »ein Projectil in
den Raum hinausgeschleudert worden ist, was geht
dann vor? Es ist der Einwirkung von drei unabhängigen
Kräften ausgesetzt, dem Widerstand der Umgebung,
der Anziehung von der Erde, und der ihm einwohnenden
Treibkraft. Betrachten wir diese drei Kräfte
näher. Der Widerstand der Umgebung, d.h. der Luft,
wird unbedeutend sein. In der That erstreckt sich die
Atmosphäre der Erde nur auf 40 englische Meilen. Bei
einer Geschwindigkeit von 12,000 Yards (48,000 Fuß)
wird das Projectil sie in fünf Secunden durchlaufen.
Nehmen wir sodann die Anziehungskraft der Erde, d.h.
Schwere der Kugel. Wir wissen, daß diese Schwerkraft
im umgekehrten Verhältniß des Quadrats der Entfernung
abnimmt. Die Physik lehrt uns nun Folgendes:
Wenn ein sich selbst überlassener Körper auf die Oberfläche
der Erde fällt, so ist das Maß dafür in der ersten
Secunde fünfzehn Fuß, und wenn derselbe Körper
in eine Entfernung von 257,542 Meilen, mit anderen
Worten in die Entfernung des Mondes versetzt ist, so
beträgt sein Fall in der ersten Secunde etwa eine halbe
Linie. Das ist beinahe Unbeweglichkeit. Es handelt
sich also darum, dieseWiderstandskraft nach und nach
zu überwinden. Wie erreichen wir dies? Durch die treibende
Kraft.«
– Darin liegt eben die Schwierigkeit, erwiderte der
Major.
— 68 —
»Ja wohl, darin«, fuhr der Präsident fort, »aber wir
werden sie überwinden; denn diese treibende Kraft,
welche wir bedürfen, ergiebt sich aus der Länge des
Geschützes und aus der Menge des verwendeten Pulvers,
indem diese nur durch den Widerstand jener beschränkt
ist. Beschäftigen wir uns also heute mit den
Dimensionen, welche man der Kanone geben muß.
Wohl verstanden, daß wir sie unter so zu sagen unbegränzten
Widerstandsbedingungen aufstellen können,
weil sie nicht zum Manoeuvriren bestimmt ist.«
– Das ist Alles sonnenklar, erwiderte der General.
»Bisher«, sagte Barbicane, »sind unsere längsten Kanonen,
die enormen Columbiaden, nicht über 25 Fuß
lang gewesen; wir werden daher unserer Columbiade
Dimensionen geben müssen, welche Manche in Erstaunen
versetzen.«
– Ja, ganz gewiß! rief Maston. Ich meines Theils verlange
eine Kanone, die mindestens eine halbe (englische)
Meile lang ist.
– Eine halbe Meile! riefen der Major und der General.
– Ja! eine halbe Meile, und das wird noch um die
Hälfte zu kurz sein.
– Aber, Maston, erwiderte Morgan, Sie übertreiben.
– Nein! entgegnete der heißblütige Secretär, und ich
weiß wahrhaftig nicht, weshalb Sie mich der Uebertreibung
beschuldigen.
– Weil Sie zu weit gehen!
— 69 —
–Wissen Sie, mein Herr, versetzte Maston mit stolzer
Miene, daß ein Artillerist, wie eine Kugel, niemals zu
weit gehen kann!
Da die Unterredung persönlich wurde, legte sich der
Präsident in’s Mittel.
»Seien wir ruhig, Freunde, und überlegen wir; es
muß offenbar eine Kanone von langem Lauf sein, weil
die Länge des Stücks die Spannkraft des unter dem
Projectil angesammelten Gases vermehren wird, aber
man braucht nicht gewisse Grenzen zu überschreiten.«
– Ganz recht, sagte der Major.
– Welche Regeln befolgt man gewöhnlich in solchem
Fall? In der Regel ist eine Kanone 20 bis 25 mal so lang,
als der Durchmesser der Kugel, und sie wiegt 235 bis
240 mal so viel, als diese.
– Das genügt nicht, rief Maston ungestüm.
– Ich geb’s wohl zu, mein würdiger Freund, und in
der That würde diesem Verhältniß nach ein Projectil
von neun Fuß Durchmesser und 30,000 Pfund schwer
nur eine Maschine von 225 Fuß Länge und sieben Millionen
200,000 Pfund Gewicht erfordern.
– Lächerlich, rief Maston. Ebensogut nähme man ein
Pistol!
– Das denk’ ich auch, erwiderte Barbicane. Deshalb
beabsichtige ich diese Länge viermal zu nehmen, und
eine 900 Fuß lange Kanone zu bauen.
Der General und der Major machten zwar einige
Einwendungen; aber dennoch wurde dieser Vorschlag,
— 70 —
vom Secretär des Clubs lebhaft unterstützt, definitiv
angenommen.
– Jetzt, sagte Elphiston, wie dick sollen die Wände
sein?
– Sechs Fuß, erwiderte Barbicane.
– Sie denken wohl nicht daran, solch eine Masse auf
eine Lafette zu pflanzen? fragte der Major.
– Das wäre doch prachtvoll, sagte Maston.
– Aber unausführbar, erwiderte Barbicane. Nein, ich
denke, die Maschine in den Boden einzusenken, Ringe
von Schmiedeeisen darum zu legen und endlich sie
mit einem festen Gemäuer von Stein und Kalk zu umgeben,
damit sie an der ganzen Widerstandskraft des
umgebenden Bodens Theil nehme. Ist das Geschütz
einmal gegossen, so wird die Seele sorgfältig ausgefeilt
und kalibrirt, damit die Kugel nicht Luft habe; so
wird kein Gas verloren, und die ganze Ausdehnungskraft
des Pulvers wird als treibende Kraft verwendet.
– Hurrah! Hurrah! rief Maston, da haben wir unsere
Kanone.
– Noch nicht, erwiderte Barbicane, indem er seinen
ungeduldigen Freund mit der Hand beschwichtigte.
– Und warum?
– Weil wir noch nicht ihre Form berathen haben. Soll
es eine Kanone, eine Haubitze oder ein Mörser sein?
– Eine Kanone, versetzte Morgan.
– Eine Haubitze, entgegnete der Major.
– Ein Mörser, rief Maston.
— 71 —
Es wollte sich eben ein neuer lebhafter Streit entspinnen,
da jeder seine Lieblingswaffe anpries, als der
Präsident ihn kurz abschnitt.
»Meine Freunde«, sagte er, »ich will Sie alle zufrieden
stellen; unser Columbiade wird von diesen drei
Feuerschlünden etwas haben.
Eine Kanone wird’s sein, weil ihr Pulverbehälter denselben
Durchmesser wie ihr Lauf haben wird; eine
Haubitze, weil sie eine Hohlkugel schleudern wird;
und ein Mörser, weil sie unter einem Winkel von neunzig
Grad aufgeprotzt sein wird, und weil sie, ohne daß
ein Rückstoß möglich, unerschütterlich fest im Boden,
dem Projectil alle in ihrem Innern gesammelte Treibkraft
mittheilen wird.«
– Angenommen, angenommen, erwiderten die Mitglieder
des Comités.
– Eine einfache Bemerkung, sagte Elphiston; wird
die Haubitzen-Mörser-Kanone gezogen sein?
– Nein, erwiderte Barbicane, nein, wir bedürfen einer
enormen Anfangsgeschwindigkeit, und Sie wissen
wohl, daß die Kugel aus den gezogenen Kanonen minder
rasch herausfährt, als aus denen mit glattem Lauf.
– Richtig!
– Endlich haben wir sie diesmal, wiederholte Maston.
– Noch nicht ganz, erwiderte der Präsident.
– Und warum?
— 72 —
–Weil wir noch nicht wissen, aus welchem Metall sie
bestehen soll.
– Bestimmen wir’s unverzüglich.
– Soeben wollte ich einen Vorschlag machen.
Die vier Comitémitglieder verschlangen jeder ein
Dutzend Sandwichs nebst einer Bulle Thee, dann begann
die Berathung von Neuem.
»Meine wackeren Collegen«, sagte Barbicane, »unsere
Kanone muß in hohem Grade zähe, äußerst hart
sein, darf bei der Hitze nicht schmelzen, sich auflösen,
noch bei der Einwirkung von Säuren verkalken.«
– Kein Zweifel in dieser Hinsicht, erwiderte der Major,
und da wir eine sehr beträchtliche Quantität Metall
haben müssen, so wird uns die Wahl nicht schwer.
– Nun dann schlage ich, sagte Morgan, für unsere
Columbiade die beste bis jetzt bekannte Metallmischung
vor, nämlich zu hundert Theilen Kupfer, zwölf
Zinn und sechs Messing.
– Meine Freunde, erwiderte der Präsident, ich gebe
zu, daß diese Composition vortreffliche Resultate geliefert
hat; aber im gegebenen Fall würde sie zu kostspielig
und sehr schwierig anzuwenden sein. Ich denke
daher, man muß einen trefflichen, aber billigen Stoff
wählen, wie Gußeisen. Meinen Sie nicht, Major?
– Sie haben vollkommen Recht, erwiderte Elphiston.
– In der That, fuhr Barbicane fort, Gußeisen kostet
zehnmal weniger, als Bronce, ist leicht zu gießen, fließt
— 73 —
einfach in die Sandformen und läßt sich rasch behandeln;
man spart also dabei Zeit und Geld zugleich. Zudem
ist’s ein vortrefflicher Stoff; ich erinnere mich, daß
während des Kriegs, bei der Belagerung von Atlanta,
gußeiserne Geschütze von fünf zu fünf Minuten je tausend
Schüsse gethan haben, ohne dabei Schaden zu
leiden.
– Doch das Gußeisen zerspringt leicht, erwiderte
Morgan.
– Ja; aber es hat auch große Widerstandskraft; übrigens
will ich dafür stehen, daß es uns nicht zerspringen
wird.
– Es kann auch einem wackern Mann etwas zerspringen,
entgegnete Maston bedeutsam.
– Unstreitig, erwiderte Barbicane. Ich möchte nun
unseren würdigen Secretär bitten, das Gewicht einer
Kanone von Gußeisen auszurechnen, die 900 Fuß lang
ist, einen inneren Durchmesser von neun Fuß, und
sechs Fuß dicke Wände hat.
– Sogleich, erwiderte J. T. Maston.
Und er brachte, wie am Abend zuvor, mit erstaunlicher
Leichtigkeit seine Formeln zu Papier, und sagte
nach Verlauf einer Minute:
»Diese Kanone wird 68,041 Tonnen1 wiegen (=
68,040,000 Kilo).«
– Und was wird sie kosten, das Pfund zu zwei Cent
(= zehn Centimes)?
1à 20 Centner.
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»2,510,701 Dollars (= 13,608,000 Francs!)«
Maston, der Major und der General blickten mit besorgter
Miene auf Barbicane.
»Nun, meine Herren!« sagte der Präsident, »ich wiederhole
Ihnen, was ich gestern sagte, seien Sie unbesorgt,
an Millionen wird’s nicht mangeln!«
Auf diese Versicherung seines Präsidenten ging das
Comité auseinander, nachdem es den folgenden Abend
für die dritte Sitzung bestimmt hatte.
9. DIE PULVERFRAGE.
Es war noch die Frage des Pulvers vorzunehmen.
Das Publicum sah mit Spannung dieser Entscheidung
entgegen. Da die Dicke des Projectils und die Länge
der Kanone gegeben waren, welche Quantität Pulver
würde nun erforderlich sein, um die treibende Kraft zu
produciren? Diese fürchterliche Kraft, deren Wirkungen
jedoch der Mensch zu bemeistern versteht, sollte
nun berufen sein, in unerhörten Verhältnissen seine
Rolle zu spielen.
Man hat allgemein angenommen und wiederholt
gerne, das Pulver sei im vierzehnten Jahrhundert von
einem Mönch Namens Schwarz erfunden worden, der
seine Entdeckung mit dem Leben zu bezahlen hatte.
Aber es ist nun der Beweis fast völlig hergestellt, daß
diese Geschichte unter die Märchen des Mittelalters
zu rechnen ist. Kein Mensch hat das Pulver erfunden;
— 75 —
es ist direct vom griechischen Feuer herzuleiten, welches
ebenfalls eine Mischung von Schwefel und Salpeter
war. Nur haben sich seitdem diese Mischungen aus
zerfließenden in explodirende verwandelt.
Aber sind auch die Gelehrten über diesen Irrthum im
Reinen, so verstehen doch wenige Menschen die mechanische
Kraft des Pulvers zu beurtheilen. Das muß
man jedoch können, um die Wichtigkeit der dem Comité
unterbreiteten Frage zu begreifen.
Also ein Liter Pulver wiegt ungefähr zwei Pfund1 (=
99 Gramm); es erzeugt beim Entzünden 400 Liter Gas;
ist dies Gas frei und unter Einwirkung einer Temperatur
bis zu 2400 Grad, so nimmt es den Raum von
viertausend Liter an. Also verhält sich der Umfang des
Pulvers zu dem des durch seine Verbrennung erzeugten
Gases wie eins zu viertausend. Darnach ermesse
man die entsetzlich treibende Kraft dieses Gases, wann
es in einen viertausendmal zu engen Raum eingepreßt
ist.
Dies war den Mitgliedern des Comités, als sie am folgenden
Tage zur Sitzung zusammen kamen, geläufig.
Barbicane gab dem Major Elphiston das Wort, welcher
während des Kriegs Pulverdirector gewesen war.
»Liebe Kameraden«, sagte dieser ausgezeichnete
Chemiker, »ich will mit unverwerflichen Zahlen beginnen,
die uns als Basis dienen sollen. Der 24pfünder,
von welchem vorgestern der ehrenwerthe Herr Maston
1Das amerikanische Pfund beträgt 453 Gramm.
— 76 —
mit so poetischem Schwung gesprochen hat, ist nur
durch sechzehn Pfund Pulver aus dem Feuerschlund
getrieben worden.«
– Ist diese Ziffer zuverlässig? fragte Barbicane.
»Ganz zuverlässig«, erwiderte der Major. »Die Armstrong-
Kanone braucht nur 75 Pfund Pulver für ein Projectil
von 800 Pfund, und die Columbiade Rodman nur
160 Pfund, um ihre halbtönnige Kugel sechs Meilen
weit zu werfen. Diese Thatsachen sind nicht in Zweifel
zu ziehen; ich habe sie selbst aus den Protokollen des
Artillerie-Ausschusses entnommen.«
– Ganz richtig, erwiderte der General.
»Nun denn!« fuhr der Major fort, »lassen Sie uns aus
diesen Ziffern die Folgerung ziehen, daß die Quantität
Pulver im Verhältniß zum Gewicht der Kugel nicht
gleichmäßig zunimmt; in der That, wenn sechzehn
Pfund Pulver für einen 24pfünder erforderlich waren;
mit anderen Worten, wenn bei gewöhnlichen Kanonen
das Gewicht des verwendeten Pulvers im Verhältniß
von zwei Drittel zum Gewicht des Projectils steht, so
bleibt sich dies Verhältniß nicht gleich. Rechnen Sie,
und Sie werden sehen, daß für eine halbtönnige Kugel
anstatt 333 nur 160 Pfund Pulver erforderlich waren.«
– Wo hinaus wollen Sie damit? fragte der Präsident.
– Wenn Sie Ihre Theorie auf’s Aeußerste treiben, lieber
Major, sagte Maston, so kommen Sie zu dem Ergebniß,
daß, wenn Ihre Kugel hinreichend schwer ist,
Sie gar kein Pulver mehr brauchen.
— 77 —
»Mein Freund Maston beliebt auch bei den ernstesten
Dingen zu scherzen«, erwiderte der Major, »aber
er möge sich beruhigen; ich werde bald Quantitäten
von Pulver in Vorschlag bringen, welche sein Artillerie-
Selbstgefühl befriedigen werden. Ich wollte hier nur
feststellen, daß während des Kriegs für die größten
Kanonen das Gewicht des erforderlichen Pulvers, der
gemachten Erfahrung nach, sich auf ein Zehntheil des
Gewichts der Kugel ermäßigt hat.«
– Das ist höchst exact, sagte Morgan. Aber bevor wir
über die erforderliche Quantität Pulver eine Bestimmung
treffen, halte ich für gut, sich über seine Beschaffenheit
zu verständigen.
»Wir werden grobkörniges verwenden«, erwiderte
der Major; »es brennt rascher ab, als das feine.«
– Allerdings, entgegnete Morgan, aber es ist sehr brisant
und verdirbt am Ende die Seele der Stücke.
»Gut! Aber was für eine zu dauernder Benutzung bestimmte
Kanone unzuträglich ist, gilt nicht ebenso für
unsere Columbiade. Wir haben gar keine Explosion zu
besorgen, und das Pulver muß sich augenblicklich entzünden,
um seine mechanische Wirkung vollständig zu
äußern.«
– Man könnte, sagte Maston, mehrere Zündlöcher
bohren, um an verschiedenen Stellen zugleich zu entzünden.
– Allerdings, erwiderte Elphiston, aber die Ausführung
würde dadurch schwieriger. Ich komme daher auf
— 78 —
mein grobkörniges Pulver zurück, wobei diese Schwierigkeiten
vermieden werden.
– Meinetwegen, erwiderte der General.
»Zur Ladung seiner Columbiade«, fuhr der Major
fort, »verwendete Rodman ein Pulver von so grobem
Korn, wie Kastanien, aus Weidenkohlen, die nur in
gußeisernen Kesseln geröstet waren. Dieses Pulver war
hart und glänzend, ließ keine Spur auf der Hand, enthielt
in starkem Verhältniß Wasserstoff und Sauerstoff,
entzündete sich augenblicklich und verdarb, obwohl
sehr brisant, nicht merklich die Feuerschlünde.«
– Ah! Mir dünkt, sagte Maston, daß wir uns nicht zu
besinnen haben und unsere Wahl getroffen ist.
»Sofern Sie nicht Goldpulver vorziehen«, erwiderte
der Major mit Lachen, worüber ihm sein reizbarer
Freund mit seinem eisernen Häkchen drohte.
Bisher hatte Barbicane an der Discussion keinen Antheil
genommen. Er ließ reden, hörte zu. Offenbar hatte
er eine Idee. Auch beschränkte er sich nur darauf zu
sagen:
»Jetzt, meine Freunde, welche Quantität Pulver
schlagen Sie vor?«
Die drei Mitglieder des Gun-Clubs sahen sich eine
Weile gegenseitig an.
– 200,000 Pfund, sagte endlich Morgan.
– 500,000, erwiderte der Major.
– 800,000, rief Maston.
— 79 —
Diesmal wagte Elphiston nicht, seinen Collegen der
Uebertreibung zu beschuldigen. In der That, es handelte
sich darum, ein 20,000 Pfund schweres Projectil
bis zum Mond zu entsenden und ihm eine Anfangsgeschwindigkeit
von 12,000 Yards in der Secunde zu
geben. Eine kleine Pause folgte auf den dreifachen Vorschlag.
Endlich brach der Präsident Barbicane das Schweigen.
»Meine wackeren Kameraden«, sagte er mit ruhiger
Stimme, »ich gehe von dem Grundgedanken aus, daß
der Widerstand unserer unter den gegebenen Bedingungen
verfertigten Kanone unbegrenzt ist. Ich will
daher den ehrenwerthen Herrn Maston mit der Aeußerung
überraschen, daß er in seinen Berechnungen
zu schüchtern war, und ich schlage vor, die 800,000
Pfund Pulver zu verdoppeln.«
– 1,600,000 Pfund? rief Maston und sprang vom
Stuhl auf.
»Gerade soviel.«
– Aber dann muß man auf meine halbmeilenlange
Kanone zurückkommen.
– Offenbar, sagte der Major.
– 1,600,000 Pfund Pulver, fuhr der Secretär des Comités
fort, werden einen Raum von etwa 22,000 Kubikfuß
einnehmen. Da nun Ihre Kanone nur 54,000 Kubikfuß
Inhalt hat, wird sie zur Hälfte damit angefüllt, und
der Lauf ist nicht mehr lang genug, daß die Spannkraft
— 80 —
des Gases auf das Projectil eine hinreichend treibende
Wirkung äußere.
Darauf war nichts zu antworten. Maston hatte Recht.
Man sah Barbicane an.
»Doch«, fuhr der Präsident fort, »bestehe ich auf dieser
Quantität Pulver. Denken Sie, 1,600,000 Pfund Pulver
werden sechs Milliarden Liter Gas erzeugen. Sechs
Milliarden! Sie verstehen wohl?«
– Aber was fangen wir dann an? fragte der General.
»Sehr einfach: Wir beschränken den äußeren Umfang
des Pulvers, ohne damit seine mechanische Kraft
zu verringern.«
– Gut! Aber durch welches Mittel?
»Das will ich Ihnen sagen«, erwiderte Barbicane.
Seine Zuhörer verschlangen ihn mit den Augen.
»Nichts ist in der That leichter«, fuhr er fort, »als
diese Pulvermasse auf den vierten Theil ihres Umfangs
zu beschränken. Sie kennen den merkwürdigen Stoff,
welcher das elementare Gewebe der Vegetabilien ausmacht,
und den man Cellulose nennt.«
– Ah, ich verstehe Sie, lieber Barbicane, sagte der
Major.
»Diesen Stoff«, sagte der Präsident, »findet man vollkommen
rein in verschiedenen Körpern, besonders in
der Baumwolle, welche nichts anderes ist, als das Haar
— 81 —
der Saamenkörner der Baumwollenstaude. Die Baumwolle
nun in Verbindung mit Stickstoffsäure im kalten
Zustand verwandelt sich in eine äußerst unlösliche,
höchst entzündliche und höchst explodirbare Substanz.
Im Jahre 1832 entdeckte ein französischer Chemiker,
Braconnot, diese Substanz, welche er Xyloidine
nannte. Ein anderer Franzose, Pelouze, studierte
im Jahre 1838 ihre verschiedenen Eigenschaften, und
endlich machte im Jahre 1846 Schönbein, Professor
der Chemie zu Basel, den Vorschlag, sie anstatt Schießpulver
zu gebrauchen. Dieses Pulver nun ist die stickstoffhaltige
Baumwolle.«
– Oder Pyroxylin, erwiderte Elphiston.
– Oder Schießbaumwolle, versetzte Morgan.
– Giebt’s denn nicht ein amerikanisches Wort, um
diese Entdeckung damit zu bezeichnen? rief J. T. Maston
in lebhaftem Nationalselbstgefühl.
– Leider keins, erwiderte der Major.
»Doch will ich«, fuhr der Präsident fort, »zur Befriedigung
Maston’s ihm sagen, daß die Arbeiten eines unserer
Mitbürger mit dem Studium der Cellulose in Verbindung
gebracht werden können; denn das Collodium,
eines der hauptsächlichen, wichtigsten Hilfsmittel
der Photographie, ist ganz einfach in alkoholsattem
Aether aufgelöstes Pyroxylin, und dies wurde von Maynard,
als er zu Boston Medicin studierte, entdeckt.«
— 82 —
– Nun denn! Hurrah für Maynard und die Schießbaumwolle!
rief stürmisch der Secretär des Gun-Clubs.
»Ich komme auf das Pyroxylin zurück«, fuhr Barbicane
fort. »Sie kennen seine Eigenschaften, welche es
für uns so werthvoll machen; es ist sehr leicht anzufertigen;
Baumwolle wird fünfzehn Minuten lang in
rauchende Stickstoffsäure getaucht, dann in frischem
Wasser ausgewaschen, hernach getrocknet, damit ist’s
fertig.«
– Das ist höchst einfach, wahrhaftig, sagte Morgan.
»Weiter, das Pyroxylin wird von der Feuchtigkeit
nicht angegriffen, eine für uns sehr werthvolle Eigenschaft,
weil zum Laden der Kanone einige Tage erforderlich
sind; entzündlich ist es bei 170 Grad anstatt
240, und es verbrennt so rasch, daß man es auf gewöhnlichem
Pulver anzünden kann, ohne daß dieses
Zeit hätte Feuer zu fangen.«
– Vortrefflich, erwiderte der Major.
– Nur ist es kostspieliger.
– Das macht nichts aus, sagte Maston.
»Endlich, es theilt den Projectilen eine viermal größere
Geschwindigkeit mit, als Pulver. Dazu kommt weiter,
daß, wenn man acht Zehntheile seines Gewichts
salpetersaure Pottasche beimischt, seine Ausdehnungskraft
bedeutend verstärkt wird.«
– Wird das nöthig sein? fragte der Major.
»Ich denke nicht«, erwiderte Barbicane. »Also, anstatt
1,600,000 Pfund Pulver werden wir nur 400,000
— 83 —
Pfund Schießbaumwolle haben, und da man ohne Gefahr
500 Pfund Baumwolle bis zu 27 Kubikfuß zusammenpressen
kann, so wird dieser Stoff in der Columbiade
nur eine Höhe von hundertachtzig Fuß betragen.
Auf dieseWeise wird die Kugel über siebenhundert Fuß
der Seele der Kanone unter der Treibkraft von sechs
Milliarden Liter Gas zu durchlaufen haben, bevor sie
dem Nachtgestirn entgegen fliegt!«
Nun konnte Maston seine Gemüthsbewegung nicht
mehr unterdrücken; er warf sich seinem Freunde mit
der Gewalt eines Projectils in die Arme, und würde ihn
niedergeschmettert haben, wäre Barbicane nicht bombenfest
gewesen.
Hiermit schloß die dritte Comitésitzung. Barbicane
und seine kühnen Collegen, denen nichts unmöglich
schien, hatten die so verwickelte Frage des Projectils,
der Kanone und des Pulvers gelöst. Ihr Plan war fertig,
man brauchte ihn nur auszuführen.
»Das ist nur Detail, eine Bagatelle«, sagte J. T. Maston.
Anmerkung. Daß bei dieser Berathung der Präsident
Barbicane die Erfindung des Collodiums einem seiner
Landsleute zuschreibt, beruht auf einem Irrthum, worüber
Herr Maston nicht grollen möge; derselbe rührt
von der Aehnlichkeit zweier Namen her.
Ein Studierender zu Boston Namens Maynard hatte
zwar im Jahre 1847 die Idee, das Collodium bei
Behandlung von Wunden anzuwenden; aber entdeckt
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