Hamlet
Hamlet
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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Hamlet (Begriffsklärung) aufgeführt.
David Garrick als Hamlet
Hamlet (frühneuenglisch The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmarke) ist ein Theaterstück von William Shakespeare. Es handelt sich um eine im Königreich Dänemarkspielende Tragödie. Claudius, des Königs Bruder, ermordet den Herrscher, reißt die Krone an sich und heiratet Gertrude, die Witwe des Königs. Prinz Hamlet strebt danach, seinen Vater zu rächen, und stürzt dabei alle Beteiligten ins Unglück. Der Stoff des Stückes geht auf eine mittelalterliche nordische Erzählung zurück. Der Text des Hamlet wurde in der heute vorliegenden Fassung spätestens zwischen Februar 1601 und Sommer 1602 von Shakespeare fertiggestellt. Das Stück könnte seit dem Juli 1602 in einer gekürzten Bühnenversion aufgeführt worden sein, erschien erstmals 1603 als Raubdruck und wurde 1604 in einer autorisierten, leicht zensierten Version in Druck gegeben. Eine frühe Variante, der sogenannte Ur-Hamlet, könnte ab 1594 in London bekannt gewesen sein.
Hamlet war schon bei seinem Erscheinen ein erfolgreiches Bühnenstück, denn der Stoff, der in Grundzügen durch verschiedene Überlieferungen bekannt war, genoss bereits vor Shakespeares Werk eine gewisse Popularität. Die Beliebtheit des Stückes zeigte sich bald an der kontinuierlichen und dichten Bühnenpräsenz des Werks, der großen Zahl von Druckausgaben, der frühen Übertragung ins Deutsche und der Vielzahl von Bearbeitungen des Stoffes durch Schriftsteller, Künstler und Filmemacher seit seinem Bestehen. Stichworte aus Hamlets Monologen, wie „Sein oder Nichtsein“ oder „Der Rest ist Schweigen“, sind zu Redewendungen in der Alltagssprache geworden. Die Geschichte des in ein tintenschwarzes Wams gekleideten und ein Buch mit sich tragenden dänischen Prinzen gilt als eines der bedeutendsten Werke Shakespeares und wird bisweilen, wie Tennyson sagte, als das „größte aller literarischen Werke“ angesehen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Belege
Übersicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Handlungsstränge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Geschichte von Hamlet besteht aus den drei stichwortartig zu benennenden Erzählsträngen „Prinz Hamlets Rache“, „Prinz Fortinbras’ Krieg“ und „Hamlet und Ophelia“. Diese Erzählstränge werden in eine politische Situation eingefügt, bei der es um einen lange zurückliegenden Konflikt zwischen dem alten König Hamlet und dem „alten Norweg“ geht. Sie sind zudem Teil einer Konstellation aus mehreren Familien, nämlich der Familie König Hamlets sowie jener des Königs Fortinbras und der des Ratgebers Polonius. Hamlets Geschichte wird außerdem vor dem Hintergrund einer Reihe von Ereignissen erzählt, von denen der Zuschauer oder Leser eher beiläufig erfährt, nämlich Hamlets Studium in Wittenberg, der Beziehung zu seinen Freunden Horatio und den Schauspielern und zu seinen Schulkameraden Rosencrantz und Guildenstern. Zu den Ereignissen vor dem Beginn des Dramas zählt auch der Tod des Königs Hamlet, dessen Begräbnis, die Heirat von Gertrude und Claudius, aber auch die heimliche Liebschaft zwischen Hamlet und Ophelia.
Der Haupterzählstrang handelt von Prinz Hamlets Rache. Hamlet erfährt durch die Erscheinung von König Hamlets Geist, dass sein Vater von dessen Bruder Claudius ermordet wurde.[2] Er sinnt zusammen mit seinem Vertrauten Horatio auf Rache. Er plant, den neuen König zu überführen, und bedient sich dazu einer öffentlichen Inszenierung des von ihm vermuteten Verbrechens.[3] Hamlet zögert, Claudius beim Gebet zu töten.[4] Nach Hamlets Mord an Polonius verbannt Claudius seinen Neffen in Begleitung von dessen Jugendfreunden Rosencrantz und Guildenstern nach England.[5] Diese erhalten von Claudius ein Schreiben an den englischen König, in dem Claudius diesen ersucht, Hamlet zu enthaupten. Hamlet entdeckt dies, schreibt den Brief zu einem Todesurteil für Rosencrantz und Guildenstern um und kehrt nach einem Piratenangriff während der Überfahrt nach Dänemark zurück.[6] Angestiftet von König Claudius liefert er sich ein von Claudius manipuliertes Duell mit Laertes, dem Bruder seiner Geliebten. Dabei kommen das Königspaar und die beiden Kontrahenten zu Tode.[7]
Der Nebenerzählstrang um den Krieg des Prinzen Fortinbras gründet einmal in lange zurück liegenden Ereignissen und bezieht sich zum anderen auf einen aktuellen politischen Konflikt. Die politischen Spannungen zwischen Dänemark und Norwegen haben ihre Ursache in einem länger zurückliegenden Streit der beiden nunmehr verstorbenen ehemaligen Herrscher dieser Länder. Der alte Fortinbras, König von Norwegen, hatte den dänischen König zu einem Zweikampf herausgefordert und auf Sieg oder Niederlage ganze Ländereien verwettet. Als Hamlet den Fortinbras erschlagen hatte, war er so in den Besitz eines Teils des norwegischen Königreiches gekommen.[8]Jetzt hat der Sohn des alten Fortinbras (Jung-Fortinbras oder Prinz Fortinbras) nach dem Tod von König Hamlet die Rückgabe der Länder von Claudius gefordert[9] und gleichzeitig Söldner angeworben, um im Zweifelsfalle die nach seiner Meinung unrechtmäßig erworbenen Gebiete zurückzuerobern.[10] Angesichts des drohenden militärischen Konflikts rüstet Claudius zum Krieg[11] und strebt gleichzeitig eine diplomatische Lösung an.[12] Seine Intervention beim Onkel von Prinz Fortinbras ist erfolgreich. Der „alte Norweg“ befiehlt dem Prinzen, seine Kriegsvorbereitungen zu stoppen. Dieser willigt nach Erhalt einer beträchtlichen Rente ein, die ausgehobenen Truppen zu einem Waffengang nach Polen zu führen, für den ihm Claudius freies Geleit durch dänisches Gebiet zusichert.[13] Während seiner Reise nach England begegnet Hamlet den Truppen des Fortinbras, der durch Dänemark nach Polen zieht.[14] Nach seinem Sieg trifft Fortinbras am Ende des Stückes auf dem Weg zurück in die Heimat in Helsingör ein, wo ihm nach dem Tod der Thronfolger die Krone Dänemarks kampflos zufällt.[15]
Der zweite Nebenerzählstrang handelt von Hamlet und Ophelia als einem Liebespaar.[16] Als Polonius seiner Tochter den Umgang mit Hamlet verbietet und Ophelia zum Ausspionieren Hamlets missbraucht, erzwingt dieser die Trennung von der Geliebten.[17] Als Hamlet Polonius versehentlich tötet und von Claudius nach England verbannt wird, verzweifelt Ophelia und kommt (entweder durch Selbstmord oder durch einen Unfall) zu Tode.[18]
Hauptcharaktere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Shakespeare erzählt die Geschichte einer Generation von fünf jungen Erwachsenen. Prinz Hamlet ist durch den Tod seines Vaters eine Halbwaise, seine Mutter, Königin Gertrude, hat ihren Schwager Claudius geheiratet. Prinz Fortinbras von Norwegen ist durch den Tod seines Vaters, des alten Fortinbras, ebenfalls eine Halbwaise. Über das Schicksal der Mutter ist nichts bekannt. Laertes und Ophelia scheinen auch Halbwaisen zu sein. Sie sind die Kinder des königlichen Ratgebers Polonius. Über das Schicksal ihrer Mutter ist ebenfalls nichts bekannt. Horatio ist Hamlets Freund und Studienkollege aus Wittenberg. Zur Familienkonstellation gehören noch die beiden Onkel der Prinzen: Claudius, der Onkel von Prinz Hamlet, und der alte Norweg, der Onkel von Prinz Fortinbras. Die Familienkonstellationen der Königskinder sind symmetrisch. Die überlebenden Personen sind Horatio und Fortinbras, sowohl die dänische Herrscherfamilie als auch deren Ratgeberfamilie werden vollständig vernichtet.
Ereignisse unmittelbar vor dem Beginn der Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Geist von König Hamlet schmachtet im Fegefeuer[19], denn der Tod ereilte ihn im Schlaf, ohne vorherige Vergebung seiner Sünden.[20] Die Ursache war keineswegs, wie alle glauben, ein Schlangenbiss, sondern ein hinterhältiger Mord, begangen von seinem Bruder Claudius.[21] Dieser hat den König getötet, ohne eine Spur zu hinterlassen, indem er ihm ein verfluchtes Gift (Hebenon) ins Ohr geträufelt hat.[22] Durch diese schändliche Tat ist der König „um Leben, Krone, Frau zugleich gebracht“ worden und fordert daher von Hamlet Rache.[23] Hamlet und Horatio studieren gemeinsam in Wittenberg.[24] Nach dem Tod des Königs kehrt Hamlet nach Helsingör zurück und wird von Claudius und Gertrude überredet, sein Studium nicht wieder aufzunehmen.[25]
Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Akt I[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
[Szene 1] Der Geist des jüngst verstorbenen Königs Hamlet erscheint nachts den Wachen von Schloss Helsingör.[26] [Szene 2] Am Hof feiert der neue König Claudius seine Vermählung mit Gertrude, der Witwe des alten Königs.[27] Claudius schickt die beiden Gesandten Voltemand und Cornelius mit einer diplomatischen Note nach Norwegen,[28] verabschiedet Laertes, den Sohn des königlichen Ratgebers Polonius, nach Frankreich[29] und bittet Prinz Hamlet, nicht zu seinem durch die jüngsten Ereignisse unterbrochenen Studium nach Wittenberg zurückzukehren.[30] Nach der Feier gesteht sich Hamlet in einem Monolog seine Verzweiflung ein und kommentiert das Verhalten seiner Mutter mit Verachtung.[31] [Szene 3] Vor seiner Abreise warnt Laertes seine jüngere Schwester Ophelia vor ihrer Liebschaft mit Hamlet.[32] Als Polonius davon erfährt, untersagt er seiner Tochter den Kontakt mit Hamlet.[33] [Szene 4] Nachdem Hamlet von seinem Studienfreund Horatio über die Erscheinung informiert worden ist,[34] begleitet er seine Freunde bei der mitternächtlichen Wache und begegnet dem Geist seines Vaters.[35] [Szene 5] Im Gespräch mit diesem erfährt er von dem Mord an dem alten König durch dessen Bruder Claudius.[36] Der Geist fordert Hamlet zur Rache auf.[37] Hamlet und seine Freunde schwören Verschwiegenheit über das Erlebte[38] und Hamlet beschließt, ein wunderliches Wesen anzunehmen, um so seine Rachepläne zu verbergen.[39]
Akt II[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
[Szene 1] Polonius misstraut seinem Sohn und schickt daher seinen Diener Reynaldo los, um Laertes in Frankreich auszuspionieren.[40]Ophelia berichtet ihm aufgewühlt von der Veränderung des Prinzen. Polonius vermutet das abweisende Verhalten Ophelias als Ursache von Hamlets Wahnsinn und beschließt, den König davon zu unterrichten.[41] [Szene 2] Claudius ist über Hamlets Verwandlung beunruhigt und beauftragt dessen Jugendfreunde Rosencrantz und Guildenstern damit, die Ursache herauszufinden.[42] Währenddessen kehren die Gesandten aus Norwegen zurück und verkünden die Nachricht von ihren erfolgreichen diplomatischen Bemühungen.[43] Polonius schließt sich dem Plan an, Hamlet auszuspionieren, und schlägt vor, ein Treffen zwischen seiner Tochter und dem Prinzen zu arrangieren.[44]Gleich in der ersten Begegnung zwischen Hamlet und seinen Schulfreunden Rosencrantz und Guildenstern gestehen diese ihren vom König erhaltenen Auftrag ein.[45] Polonius kündigt Hamlet die Ankunft der Schauspieler an, Hamlet begrüßt diese überschwänglich und vereinbart mit ihnen die Aufführung des Stückes „Die Ermordung des Gonzago“ vor dem König in der Absicht, Claudius seine mörderische Tat vor Augen zu führen.[46]
Akt III[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
[Szene 1] Rosencrantz und Guildenstern berichten dem König von ihren vergeblichen Bemühungen, die Ursache für Hamlets Verwandlung herauszufinden, und Polonius überbringt dessen Einladung zur Aufführung des geplanten Theaterstückes.[47] Polonius ergreift die Initiative, er bedient sich seiner Tochter Ophelia mit deren Einverständnis als Lockvogel und verbirgt sich zusammen mit Claudius, um das Paar zu belauschen.[48] Bei dieser Begegnung mit Ophelia, die mit dem „To be or not to be-Monolog“ eingeleitet wird,[49] will Hamlet die Trennung von der Geliebten erzwingen und kränkt sie dazu maßlos.[50] Claudius durchschaut die Sache und beschließt, Hamlet als offiziellen Abgesandten Dänemarks nach England zu schicken, um ausgebliebenen Tribut einzufordern und in der Hoffnung, dass die Reise den Neffen auf andere Gedanken bringt. Polonius schlägt zudem eine weitere Belauschungsaktion vor, bei der Hamlets Mutter als unfreiwillige Agentin dienen soll.[51] [Szene 2] Inzwischen beginnen die Vorbereitungen für das Theaterstück, Hamlet instruiert die Schauspieler und vereinbart mit Horatio, den König bei der Vorstellung genau zu beobachten. Dann versammelt sich der ganze Hof.[52] Bei der Szene, in der der Mörder ähnlich wie Claudius seinem Opfer Gift ins Ohr träufelt, bricht der König verstört die Festlichkeit ab. Hamlet und Horatio sind nun von dessen Schuld überzeugt.[53] Rosencrantz und Guildenstern überbringen Gertrudes Wunsch, Hamlet zu sehen, und als dieser nicht sofort folgt, drängt Polonius Hamlet dazu, jetzt sofort in die Audienzräume seiner Mutter zu kommen.[54] [Szene 3] Claudius hat begriffen, wie groß die Gefahr ist, die von Hamlet ausgeht. Er befiehlt deshalb Rosencrantz und Guildenstern, umgehend Vorbereitungen für ihre gemeinsame Abreise mit Hamlet nach England zu treffen. Während sich Polonius in Gertrudes Kabinett hinter einem Vorhang verbirgt, trifft Hamlet auf dem Weg zu seiner Mutter auf Claudius, der im Gebet um Vergebung für seine Sünden bittet. Aber Hamlet widersteht der Gelegenheit, Claudius zu töten.[55] [Szene 4] In ihren Privaträumen stellt Gertrude ihren Sohn im Auftrag von Polonius zur Rede und bedroht ihn, als er nicht sofort gehorsam ist.[56] Daraufhin eskaliert die Situation, und als Gertrude glaubt, Hamlet wolle sie ermorden, ruft sie um Hilfe. Erschrocken ruft Polonius hinter dem Teppich nach Hilfe und wird von Hamlet, der ihn für den König hält, mit einem Dolchstoß durch den Teppich umgebracht.[57] Aus dem von Polonius und Gertrude geplanten Verhör Hamlets macht dieser in der Folge eine heftige Anklage gegen seine Mutter. Als er seine Vorwürfe gegen sie immer mehr verschärft, erscheint der Geist, fordert Hamlet zur Mäßigung auf und erneuert seine Forderung nach Rache. Da er nur für Hamlet wahrnehmbar ist, hält Gertrude dies für einen Ausdruck von Hamlets Wahnsinn.[58] Hamlet gelingt es, Gertrude zu überzeugen und sich mit seiner Mutter zu versöhnen. Sie verspricht, Verschwiegenheit über den Inhalt ihres Gespräches zu bewahren.[59]
Akt IV[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
[Szene 1] Claudius begreift, dass die versehentliche Tötung von Polonius ihm galt, und schickt deshalb Rosencrantz und Guildenstern los, um Hamlet festzunehmen.[60] [Szene 2] Während die Höflinge Hamlet suchen, versteckt dieser die Leiche von Polonius und lässt sich widerstandslos zum König bringen.[61] [Szene 3] Claudius verhört Hamlet und schickt ihn unvermittelt zusammen mit Rosencrantz und Guildenstern nach England. Diesen gibt er einen Brief mit, der den König von England ersucht, Hamlet unmittelbar bei der Ankunft hinzurichten.[62] [Szene 4] In einer Zwischenszene begegnet Hamlet auf der Reise nach England den Truppen des norwegischen Prinzen Fortinbras, der gemäß der diplomatischen Vereinbarung mit Claudius durch Dänemark marschiert, um einen Krieg mit Polen auszutragen. Die Begegnung stärkt Hamlets Entschlossenheit, Rache zu üben.[63] [Szene 5] Nach Polonius’ Tod und Hamlets Abreise verfällt Ophelia dem Wahnsinn. Laertes kehrt nach Dänemark zurück, stürmt mit Unterstützung des Volkes, das ihn zum König ausrufen will, das Schloss und bedroht Claudius, den er für den Tod seines Vaters verantwortlich macht.[64] [Szene 6] Bei seiner Schiffsreise nach England ist Hamlet Piraten begegnet und umgekehrt. Seine Gefährten sind alleine unterwegs nach England. Er schickt eine Nachricht an Horatio, der ihm entgegen reist.[65] [Szene 7] Claudius erfährt, dass Hamlet auf der Rückreise nach Dänemark ist, und überredet Laertes dazu, sich bei Hamlets Rückkehr mit diesem unter dem Vorwand einer sportlichen Wette zu duellieren und dabei heimlich eine scharfe und vergiftete Waffe zu benutzen. Die Königin überbringt Laertes die Nachricht vom Tod Ophelias, die in einem Bach ertrunken ist.[66]
Akt V[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
[Szene 1] Ein Landarbeiter und sein Gehilfe bereiten das Grab für Ophelias Bestattung. Dabei unterhalten sie sich über deren Todesumstände. Hamlet und Horatio treffen ein und verstecken sich beim Herannahen der Trauergemeinde. Als er erkennt, dass die Vorbereitungen dem Begräbnis von Ophelia dienen, gibt Hamlet sich verzweifelt zu erkennen und gerät in einen wilden Streit mit Laertes. Claudius überredet beide zu dem von ihm geplanten sportlichen Wettkampf.[67] [Szene 2] Vor dem Duell berichtet Hamlet seinem Gefährten vom Schicksal seiner Jugendfreunde, die aufgrund des von ihm verfälschten königlichen Schreibens in England an seiner statt hingerichtet wurden. Der Höfling Osric teilt Hamlet den Inhalt von Claudius’ Wette und die Bedingungen des Duells mit. Bei einem Fest im Thronsaal duellieren sich Laertes und Hamlet vor den Augen des Königspaars. Für den Fall, dass Laertes unterliegt, hat Claudius einen vergifteten Siegestrunk für Hamlet vorbereitet. Als Gertrude unvorhergesehenerweise von diesem Wein trinkt, wird Claudius das drohende Scheitern aller seiner Pläne bewusst. Laertes trifft Hamlet mit der präparierten Waffe, im Handgemenge vertauschen sie die Rapiere und Hamlet verwundet seinerseits Laertes. Als Gertrude vergiftet stürzt, offenbart der sterbende Laertes Hamlet die Absichten des Königs. In äußerster Wut zwingt Hamlet den König, den vergifteten Kelch zu leeren. Während Claudius stirbt, versöhnen sich Hamlet und Laertes. Unterdessen nahen die Truppen des Fortinbras in Begleitung englischer Gesandter. Sterbend bestimmt Hamlet seinen Gefährten Horatio zum Sachwalter seines Andenkens und gibt seine Stimme Fortinbras als seinem Nachfolger. Der norwegische Prinz ordnet für Hamlet ein Begräbnis mit militärischen Ehren an.[68]
Literarische Vorlagen und kulturelle Bezüge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Hamlet (Quellen)
Zur Quellenlage des Hamlet gibt es eine Vielzahl von Studien.[69] Die meisten Autoren diskutieren dabei drei verschiedene Formen von Einflüssen auf den Text: Die Grundzüge der Geschichte stammen aus antiken und mittelalterlichen Erzählungen, insbesondere der Amlethus-Erzählung des Saxo Grammaticus; einzelne Elemente stammen vielleicht aus zeitgenössischen Theaterstücken und bestimmte Motive scheinen philosophischer Literatur entnommen zu sein. In vielen Fällen gibt es keine Sicherheit in der Frage, ob es sich tatsächlich um eine Quelle in dem Sinne handelt, dass diese Shakespeare bekannt war und er sie bewusst verwendet hat, oder ob zufällige Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Werken bestehen.[70]
Datierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Hamlet (Datierung)
In der jüngsten kritischen Edition des Hamlet, der Arden³-Ausgabe, werden von den Autoren alle zur Verfügung stehenden Daten zur Abfassungszeit des Hamlet kritisch bewertet. Dabei werden zunächst die Aussagen der bedeutendsten jüngeren Editionen zusammengefasst. Honigmann und Jenkins grenzen die Datierungszeit zwischen das Erscheinungsdatum von „Julius Cesar“ und „Antonios Revenge“ um die Jahreswende 1599/1600 und den Tod des Earl of Essex Ende Februar 1601 ein. Edwards und Hibbard bevorzugen ebenfalls die Erscheinungszeit des Julius Cesar um 1600 und das Jahr 1601 in Bezug auf den internen Hinweis auf das „Childrens Chapter“ als spätesten Zeitpunkt. Demgegenüber führt die kritische Reflexion aller Hinweise Thompson und Taylor in der dritten Ardenausgabe dahin, den Abschluss der Arbeit am Hamlet auf die Zeit zwischen der Hinrichtung des Earl of Essex im Februar 1601, dem Eintrag im Stationers’ Register im Juli 1602 und dem Druck von Q1 im Jahr 1603 anzunehmen.[71] Zu der Frage nach dem Beginn der Abfassung beschränken sich die Autoren auf Vermutungen und stimmen einigen anderen Gelehrten (Harold Bloom, Peter Alexander) zu, dass Shakespeare möglicherweise längere Zeit am Hamlet gearbeitet hat.[72]
Textgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Hamlet (Textgeschichte)
Von Shakespeares Hamlet gibt es drei relevante Textzeugen: zwei frühe Quartos, die kurze Fassung Quarto 1 (Q1) aus dem Jahre 1603, die deutlich längere Version Quarto 2 (Q2) von 1604/05 und die Folioversion (F1) aus dem Jahre 1623 in der ersten Ausgabe der gesammelten Werke Shakespeares.
Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Christoph Martin Wieland in den 1760er Jahren
Siehe auch: Deutsche Übersetzungen von Shakespeares Werken
August Wilhelm von Schlegel, um 1800
Übersetzungen ins Deutsche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Hamlet wurde schon früh in Deutschland rezipiert (vgl. die Aufführung des Stücks Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet aus Dännemarck, Dresden 1624). Aber erst mit der Übersetzung der Werke Shakespeares durch Christoph Martin Wieland 1762–1766 begann der Siegeszug des englischen Nationaldichters zum „dritten deutschen Klassiker“.[73] Die Shakespeare-Kritik des 18. Jahrhunderts war eine wichtige Voraussetzung dafür, die Werke Shakespeares frei von Konventionen zu übertragen. Charakteristisch dafür war die Haltung von Alexander Pope. Dieser gab Shakespeares Werke im Jahre 1725 heraus. Im Vorwort seiner Ausgabe verglich er die Dramen mit mittelalterlichen Bauwerken und lobte ihren Autor gerade wegen seiner Fehler als ein Naturgenie. Er ging dabei mit dem Text sehr freizügig um, stellte bestimmte Abschnitte durch Sternchen (*) heraus und verbannte nach seiner Meinung hässliche Teile in die Fußnoten.[74] Popes Kritik hat für die Shakespeare-Rezeption in Deutschland große Bedeutung.[75] Wieland verschaffte Popes Urteil über Shakespeare als einem „schönen Ungeheuer“ Geltung.[76] Gerade der „rohe und incorrecte“ Ausdruck und ein Werk, das „alle Schönheiten und Mängel der wilden Natur“ zeige[77], befestigte die Vorstellung von einem Dichter, zu dessen Wesen Wildheit, Kunstfehler, Seltsamkeiten und Regellosigkeit gehören.[78]
Zwischen 1775 und 1782 vollendete Eschenburg die Ausgabe Wielands, der nur etwa die Hälfte der Dramen übertragen hatte. Er nutzte dabei die Gelegenheit, zahlreiche Fehler Wielands anhand der Quellen auszubessern, und erreichte eine hohe Qualität, allerdings auf Kosten einer schon bald als „dürr und blutleer“ empfundenen Sprache.[79]
Bereits 1797 begann August Wilhelm von Schlegel mit der Arbeit an einer neuen Shakespeare-Ausgabe. Bis 1810 übersetzte er ungefähr die Hälfte der Stücke, und Ludwig Tieck vollendete mit Wolf Graf Baudissin und Dorothea Tieck die Aufgabe, sodass bis 1833 alle Shakespeare-Dramen in einer neuen Übersetzung vorlagen.[80] Schlegels Fassung ist eine Versübersetzung, im Gegensatz zu der von Wieland und Eschenburg, die Shakespeare um der Werktreue willen in Prosa wiedergibt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der „Schlegel-Tiecksche Shakespeare“ derjenige ist, den deutsche Leser heute noch im Ohr haben:
Original:
Wieland:
Eschenburg:
Schlegel:
The rest is silence.
Es ist vorbey.
Das Übrige ist Stillschweigen.
Der Rest ist Schweigen.
Übersetzungen in europäische Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die erste französische Druckausgabe des Hamlet wurde von Pierre-Antoine de La Place 1745 besorgt.[81] Die erste französische Gesamtausgabe stammt von Pierre Letourneur (1776 bis 1783). Alexander Sumarokov verfasste 1748 eine russische Adaption des Hamlet und die erste spanische Übersetzung des Hamlet gab Ramón de la Cruz im Jahre 1772 heraus. 1786 übersetzte Ambrosius Justus Zubli den Hamlet ins Niederländische. Er benutzte dazu ebenso wie Ramón de la Cruz, die französische Hamletversion von Jean-François Ducis aus dem Jahre 1769. Eine polnische Übersetzung der deutschen Ausgabe von Friedrich Ludwig Schröder aus dem Jahre 1776 wurde von Wojciech Bogusławski im Jahr 1797 veröffentlicht.
Die erste italienische Ausgabe stammt aus dem Jahr 1831 in einer Gesamtausgabe der Werke von Carlo Rusconi. Im Jahre 1835 wurde Hamlet zum ersten Mal in Brasilien in einer Übersetzung von Oliveira Silva in portugiesischer Sprache aufgeführt.[82] Pavol Dobšinskýübersetzte den Hamlet 1850 in die slowakische Sprache und ein Jahr später begann Carl August Hagberg eine schwedische Gesamtausgabe der Werke Shakespeares. In einer Einzelausgabe war der Hamlet schon 1820 von Olof Bjurbäck übersetzt worden. 1866 übersetzte János Arany den Hamlet ins Ungarische und Waleri Petrow übersetzte 1973–1974 Shakespeares Tragödien ins Bulgarische.
Tian Han
Übersetzungen in außereuropäische Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1902 erfolgte die erste von Tanyus Abduh besorgte Übertragung des Hamlet ins Arabische.[83] Tsubouchi Shōyō begann seine Übersetzung der gesamten Werke Shakespeares ins Japanische im Jahre 1909 mit der Arbeit am Hamlet.[84] Die erste vollständige Übersetzung eines Werkes von Shakespeare in die moderne chinesische Standardsprache Baihua stammt von dem chinesischen Schriftsteller Tian Han, der 1922 im Verlag „China Publishing House“ den kompletten Text des Hamlet in seiner dramatischen Form veröffentlichte.[85]
Gattung und werkgeschichtlicher Zusammenhang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schon in der First Folio von 1623 werden von den Herausgebern die Shakespeare’schen Stücke in drei Gruppen unterteilt: „Comedies, Histories & Tragedies“. Der Hamlet wird gemäß modernen Unterteilungen der Werke Shakespeares zusammen mit Lear, Othello und Macbeth zu den sogenannten „Great Tragedies“ gezählt.[86]
Die Tragödienkonzeption der Shakespearezeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der elisabethanischen Zeit wird die Tragödie in der Regel mit dem Thema des „Fall of Princes“ verknüpft. Dies geht auf die klassische Definition bei Chaucer in den The Monk’s Tale zurück:
Tragedie is to seyn a certeyn storie,
As olde bookes maken us memorie,
Of hym that stood in greet prosperitee,
And is yfallen out of heigh degree
into myserie, and endeth wrecchedly.[87]
Tragödie heißt eine bestimmte Geschichte,
wie sie uns alte Bücher überliefern,
von einem, der in großem Wohlstand lebte
und der gefallen ist aus hohem Rang
ins Unglück, und ein schlimmes Ende nahm.
Das Rad der Fortuna in einer Ausgabe von Boccaccios De casibus virorum illustrium, 1467
Als Prototypen solcher Ereignisse werden die Lebensgeschichten von Adam, Luzifer, Samson oder Julius Caesar gesehen. Ursache ihres Sturzes ist das Wirken der Göttin Fortuna. Ihr Werkzeug ist das Rad – Rota Fortunae, das die einen hinauf trägt und die anderen stürzt:
Fortunae rota volvitur descendo minoratus;
alter in altum tollitur nimis exaltatus.
Rex sedet in vertice – caveat ruinam!
Nam sub axe legimus Hekubam reginam.[88]
Fortunas Rad, es dreht sich um, ich sinke, werde weniger,
Den anderen trägt es hinauf, gar zu hoch erhoben.
Sitzt der König auf dem Grat – er hüte sich vor dem Falle!
Denn unter dem Rade lesen wir: Königin Hecuba.
Wiewohl das Wirken der Fortuna in manchen Fällen (Beispiel wären Caesar oder Alexander der Große) als rein willkürlich betrachtet werden kann, setzt sich im Tragödienverständnis der Renaissance die Vorstellung durch, dass Fortuna die Schuld rächt. Beispiele hierfür finden sich in Giovanni Boccaccios Werk De casibus virorum illustrium, in John Lydgates Fall of Princes und in der als Folgewerk Lydgards gedachten Kompilation The Mirror for Magistrates.[89] Shakespeare benutzt in seinen Tragödien das ganze Spektrum schuldhaften Verstricktseins der Protagonisten. Sie können frei von Schuld sein, wie Romeo und Julia oder Desdemona oder Opfer ihrer Verbrechen werden, wie Macbeth. Durch die englische Übersetzung der Tragödien des Seneca werden die elisabethanischen Autoren mit der dichterischen Verarbeitung von Verbrechen wie Inzest oder Kindesmord vertraut. Die erste englische Tragödie The Tragedie of Gorboduc von Thomas Norton und Thomas Sackville war ebenso von Seneca beeinflusst wie Thomas Kyds „Die Spanische Tragödie“ und Shakespeares Hamlet.
Hamlet im Kontext von Shakespeares „Great Tragedies“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Vergleicht man die großen Tragödien mit dem Hamlet finden sich deutliche Unterschiede. Macbeth gilt als ein Weltbilddrama und klassischer Vertreter der De-casibus Tragödie mit den Elementen von „Sturz – Aufstieg – Sturz“ und einer Wiederherstellung der Ordnung am Ende. Dem gegenüber handelt es sich bei Othello um eine sogenannte domestic tragedy, dessen Held kein Herrscher, sondern ein Mensch mittleren Standes ist und mit dessen Schicksal keine Bedrohung der politischen Ordnung verbunden ist. King Lear gilt durch seine besondere Struktur eines Doppeldramas als ungewöhnlich kompliziertes und vieldiskutiertes Werk. In dieser Reihe wird Hamlet häufig als typische Rachetragödie angesehen.[90] Wendet man die Kriterien für eine Tragödie auf den Hamlet an, lassen sich viele Gattungselemente identifizieren (das unglückliche Schicksal eines Thronfolgers, der Tod Unschuldiger, der Fall eines Ursupators, die Bedrohung und Wiederherstellung staatlicher Ordnung).
Hamlet als Rachetragödie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Charakterisierung des Hamlet als Rachetragödie ist demgegenüber immer wieder kontrovers diskutiert worden. Dafür werden zahlreiche Gründe geltend gemacht: in seinen Monologen beschäftigt sich Hamlet nicht mit Racheplänen, sondern mit dem Inzest seiner Mutter, er verurteilt sich selbst, denkt über Suizid nach oder vergleicht sich mit Fortinbras;[91] Hamlet bereitet nirgendwo einen konkreten Mordplan vor, was im Gegensatz zu der Entschiedenheit steht, mit der Claudius und Laertes die Ermordung von Hamlet vorbereiten und durchführen;[92] im Gegensatz zu Hieronimo benutzt Hamlet das Stück im Stück nicht dazu, um Claudius zu töten, sondern um Gewissheit über dessen Schuld zu erlangen.[93]
Kritik und Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„I am convinced that were I told that my closest friend was laying at the point of death, and that his life could be saved by permitting him to divulge his theory of Hamlet, I would instantly say: ‚Let him die! Let him die! Let him die!‘“
„Ich bin mir sicher: Würde mir gesagt, dass mein engster Freund im Sterben läge und dass sein Leben gerettet werden kann, indem ihm erlaubt wird, seine Hamlet-Theorie darzulegen, würde ich sofort sagen ‚Lasst ihn sterben! Lasst ihn sterben! Lasst ihn sterben!‘“
– Horace Howard Furness[94]
Shakespeares Hamlet gehört zu den in der Literatur- und Theaterwissenschaft am häufigsten untersuchten Texten. Zur Zeit erscheinen beinahe 400 wissenschaftliche Publikationen jährlich, die sich mit dem Stück befassen.[95][96] Jede Darstellung der Hamlet-Kritik kann daher nur bruchstückhaft sein und muss sich notwendig auf die in der Sekundärliteratur bezeugte bedeutendste Kritik konzentrieren.
Geschichte der Werkkritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
England[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Samuel Johnson, Gemälde von Sir Joshua Reynolds (um 1772)
Samuel Taylor Coleridge, 1795
Die frühesten Kritiken des Hamlet stammen aus dem 17. Jahrhundert. John Evelyn schrieb 1661 über „das alte Stück, das die kultivierte Gegenwart anwidert“, demgegenüber erklärte George Farquhar im Jahre 1702, Hamlet sei sehr populär (“had long been the Darling of the English Audience […]” – „war lange der Liebling des englischen Publikums“), und wenige Jahre später (1710) fasste der Earl of Shaftsbury, Antony Ashley Cooper, seine Eindrücke in der Überzeugung zusammen, das Stück bestehe fast nur aus den tiefen Gedanken der Hauptfigur.[97] Dr. Johnson kritisierte an dem Stück handwerkliche Mängel, er beanstandete Hamlets „sinnlose und willkürliche Grausamkeit“ gegenüber Ophelia und fand es erschreckend zu lesen, Hamlet habe gezögert, Claudius beim Gebet zu töten, weil dessen Seele dann in den Himmel kommen könnte.[98] Coleridge prägte das Bild von Hamlet als einem räsonierenden zögernden Menschen. Hamlets Charakter sei “the prevalence of the abstracting and generalizing habit over the practical […] every incident sets him thinking” („ein Ausdruck der Vorherrschaft von Abstraktion über das Praktische … jede Gelegenheit versetzt ihn in Gedanken“). Hamlet wisse genau, was zu tun sei, verspreche stets, zu handeln, sei aber durch Nachdenken dauernd daran gehindert. Seine Leidenschaft gelte dem Unendlichen: “Hence, great, enormous, intellectual activity, and a consequent proportionate Aversion to real Action”. („Eine überwältigende intellektuelle Fähigkeit und eine genauso große Abneigung gegen das Handeln“.)[99] William Hazlitt schließlich fand 1817 die Formel: “It is we who are Hamlet” („Wir sind Hamlet“).[100]
Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Jahre 1808 hielt Schlegel in Wien seine Vorlesungen über „Dramatische Kunst und Literatur“. Er vertrat darin die Ansicht, dass die Dichter der frühen Neuzeit die Vorbilder der modernen seien. Schlegel unterstellt, Hamlet habe keinen Glauben, weder an sich selbst noch an irgendetwas anderes. Er nannte das Stück ein „Gedankentrauerspiel“ und erläuterte dazu, Hamlets Gedanken seien keine die Handlung behindernde Kontemplation, wie bei Coleridge, sie seien Ausdruck eines tiefen Skeptizismus, der Prinz kein Träumer, sondern ein Zweifler.[101]
Die Übertragung der shakespeareschen Werke in Verse durch Schlegel stieß auf prominenten Widerstand. Goethe trat vehement dafür ein, die „wilde Natürlichkeit der Wielandschen Version“ zu erhalten.[102] Und er bestand in Übereinstimmung mit Hazlitt darauf, dass den Leseversionen der shakespeareschen Stücke der Vorzug vor einer Aufführung auf einer Bretterbühne zu geben sei: „Durchs lebendige Wort wirkt Shakespeare, und dies läßt sich beim Vorlesen am besten überliefern; der Hörer wird nicht zerstreut, weder durch schickliche noch unschickliche Darstellung“.[103] Ganz ähnlich heißt es bei Hazlitt: „We do not like to see our author’s plays acted, and least of all ,Hamlet‘. There is no play that suffers so much in being transferred to the stage. Hamlet himself seems hardly capable of being acted.“[104] In diesem Sinne ist Goethes Charakterisierung des Hamlet zu verstehen: „[…] eine große Tat auf eine Seele gelegt, die der Tat nicht gewachsen ist“.[105] Edwards weist darauf hin, dass Goethe damit keineswegs die Annahme teilt, Hamlet habe nicht genug unternommen, um sich gegen sein Schicksal aufzulehnen, oder seine Schwäche bestünde in mangelndem Engagement. Die Unterstellung, Goethe habe einen Pelagianismus vertreten, der eine solche Position erzwingt, sei falsch.[106]Tatsächlich habe Goethe die Vorstellung abgelehnt, dass es „die stolze Aufgabe des Menschen sei, große Ziele zu erreichen“, und nichts könne ihn daran hindern. Vielmehr lehre der Hamlet, so Goethe, dass ein „unbegreifliches Schicksal Gute wie Böse stürzt und ein Geschlecht niederwirft, wenn gerade das nächste aufsteht“. Somit sei Hamlets Schwäche nur ein Ausdruck der grundsätzlichen Ohnmacht des Menschen.[107]
Der Philosoph und ehemalige Rektor der Universität Halle Hermann Ulrici fasste in seiner Untersuchung der Werke Shakespeares aus dem Jahre 1839 zum ersten Mal die Frage der Moralität der Rache im Falle Hamlets ins Auge.[108][109] Er kritisiert die Interpretation Goethes und erklärt: „Göthe macht unbewußt einen mittelalterlichen Werther aus ihm: wie im Werther, so soll hier die subjektive Schwäche im Kampf stehen mit den objektiven Mächten unglücklicher, dem Charakter des Helden widerstrebender Verhältnisse; im Werther eine übergroße Fülle des Gefühls, hier die Last einer übergroßen That auf ein Gefäß gelegt, das darunter zerbricht; hier wie dort Melancholie und Schwermuth über den verderbten, unheilvollen Zustand der Welt“.[110] Auch Schlegel wirft er vor, den Hamlet unkritisch zu aktualisieren: „Schlegel dagegen sieht in Hamlet einen Helden des 19ten Jahrhunderts, wo Absicht, Begierde und Leidenschaft hinter schönen Worten und äußerer Politur sich verbirgt, wo Willen und That in Theorienmachen und spekulirenden Denken untergeht, wo die Geschichte zum Geist der Geschichte geworden ist“.[111] Er setzt dagegen sein eigenes Urteil und stellt fest: „Hamlet ist, wie ich glaube, von Natur ein künstlerischer oder wenn man will, philosophischer Geist“. Er könne sich zu der ihm auferlegten Tat nicht entscheiden, weil er sie „nicht zu einer inneren, freien Handlung zu machen weis“. Hamlet habe „moralische Bedenken“, dem Verlangen des Geistes nach Rache zu folgen, denn im „christlichen Sinne bleibt es immer eine Sünde, ihn (Claudius) ohne Urteil und Recht, aus freier Faust zu tödten“. Nicht Grübelei, „sondern sein Gewissen […] hemmt seine Thatkraft mit Fug und Recht“.[112]
In Die Geburt der Tragödie wendet sich Nietzsche explizit gegen Coleridges Einschätzung, Hamlet sei ein Zögerer, dessen Fehler es sei, zu viel nachgedacht zu haben.[113] Nietzsche sagt, der dionysische Mensch habe Ähnlichkeiten mit Hamlet, beide hätten einen wahren Blick in das Wesen der Dinge getan: „[…] sie haben erkannt, und es ekelt sie zu handeln; denn ihre Handlung kann nichts am ewigen Wesen der Dinge ändern, sie empfinden es als lächerlich oder schmachvoll, daß ihnen zugemutet wird, die Welt, die aus den Fugen ist, wieder einzurichten. Die Erkenntnis tötet das Handeln, zum Handeln gehört das Umschleiertsein durch die Illusion – das ist die Hamletlehre, nicht jene wohlfeile Weisheit von Hans dem Träumer, der aus zu viel Reflexion, gleichsam aus einem Überschuß von Möglichkeiten, nicht zum Handeln kommt […]“[114] Diese Sichtweise wird von Philip Edwards in seiner Interpretation des „Sein oder Nichtsein“-Monologs ausdrücklich geteilt.[115]